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Kritik - Mozarts "Zauberflöte" in Salzburg Beachtlich, aber nicht berauschend

Nächster Versuch: Bereits 2018 präsentierte Lydia Steier ihre "Zauberflöte" bei den Salzburger Festspielen. Mit mäßigem Erfolg. Also probiert es die Regisseurin noch einmal. Diesmal mit Dirigentin Joana Mallwitz an ihrer Seite. Premiere war am Samstag. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen - auch wenn es keine Begeisterungsstürme auslöst.

Bildquelle: SF / Sandra Then

Premierenkritik

"Die Zauberflöte" bei den Salzburger Festspielen

Zur Ouvertüre zeigt die Drehbühne von Katharina Schlipf eine großbürgerliche Puppenstube: Es gibt Streit in der Familie, die drei Jungs müssen ins Bett. Da erzählt ihnen der Großvater als Gutenachtgeschichte die Abenteuer von Tamino und Pamina mit der Königin der Nacht und dem Sonnenkönig Sarastro. Und schon werden die Traumfiguren lebendig und ziehen die drei famosen Wiener Sängerknaben mitten hinein in Mozarts "Zauberflöte". Mit dieser Rahmenhandlung erspart die Regisseurin Lydia Steier ihren Protagonisten das gestelzte Rezitieren von Emanuel Schikaneders Dialogen. Roland Koch macht das mit schönem Understatement. Gern auch mal im Ping-Pong-Spiel mit der Dirigentin, wenn er melodramatisch zur Musik spricht. Da ist Reaktionsschnelligkeit gefragt – für die agile Joana Mallwitz kein Problem.

Erst Klamauk, dann macht Lydia Steier ernst

Lydia Steier bedient Schikaneders Maschinentheater handwerklich virtuos, nie um Einfälle verlegen und gewürzt mit der ihr eigenen Ironie. Die "Zauberflöte" ist für sie erstmal die Vorstadt-Posse, die der gewiefte Theatermann im Sinn hatte. In einer verwinkelten Treppen-Flucht à la Maurits Escher setzt Steier auf Revue und Klamauk mit Schmetterlings-Tänzerinnen und Riesen-Teddys – wenn Tamino die wilden Tiere mit seinem Flötenspiel besänftigt. Nach dem ersten Aufzug ist man einigermaßen geplättet. Und es kommt einem der Titel einer Nestroy-Posse in den Sinn, wir sind schließlich in Österreich: Will sich Lydia Steier mit Mozarts Ideen-Drama bloß einen Jux machen?

Da war doch was...

Lesen Sie hier, was unser Kritiker von Lydia Steiers "Zauberflöte" bei den Salzburger Festspielen 2018 hielt.

Doch mit der "Isis und Osiris"-Welt im zweiten Aufzug macht sie dann doch ernst. Der junge, aus München wohlbekannte Tareq Nazmi beweist mit satter Tiefe, dass er das Zeug zum Sarastro hat. Lydia Steier zeigt den Herrscher und seinen Männerbund im Einheitslook als Anzugträger mit Melone – wie die grauen Herren in Michael Endes "Momo". Hier stehlen sie den Menschen nicht nur die Zeit, sondern sogar das Leben. Denn sie mutieren zur Soldateska, die Rekruten aushebt, um sie im Krieg zu verheizen. Zur Feuer- und Wasserprobe von Tamino und Pamina flimmern grauenhafte Filmbilder aus dem Ersten Weltkrieg über die Bühne – da sind die Fernsehbilder der Gegenwart sofort präsent.

Sopranistin Regula Mühlemann sticht heraus

Mit ihrem klar geführten, jugendlichen Sopran zeigt Regula Mühlemann, dass sie eine perfekte Mozart-Stilistin ist. Als Pamina bezauberte sie das Publikum mit ihrer Natürlichkeit – und überragte das gesamte Salzburger Mozart-Ensemble. Das mit dem kraftvollen, wenn auch nicht unangestrengten Mauro Peter als Tamino, mit dem burschikosen Michael Nagl als Papageno und einem ungemein homogenen Damen-Trio gutes Festspiel-Niveau hatte. Während Peter Tantsits, natürlich nicht geblackfaced, den Monostatos als stimmliche Karikatur anlegte, waren die vokalen Defizite der Brenda Rae als Königin der Nacht wohl eher unfreiwilliger Natur.

Mehr von den Salzburger Festspielen?

Lesen Sie hier, wieso Asmik Grigorian mit ihrem Auftritt in Puccinis "Il Trittico" unseren Kritiker zu Begeisterungsstürmen hingerissen hat.

Joana Mallwitz ist die ideale Opernfrau im Graben, gestisch immer bei ihren Schützlingen auf der Bühne. Die Wiener Philharmoniker hat sie auf historisch informiertes Musizieren getrimmt: Forsch, flott und knackig ist der Sound, manchmal etwas zu kompakt für die Akustik im Haus für Mozart. Auch im zweiten Anlauf ist diese Salzburger "Zauberflöte" kein großer Wurf, aber ein beachtlicher Versuch, den Ambivalenzen des Stücks und der Figuren auf die Schliche zu kommen.

Sendung: "Allegro" am 1. August 2022 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (3)

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Freitag, 12.August, 16:59 Uhr

Jessica

Zauberflöte

der Meinung von L.Visconti ist wenig hinzuzufügen ,es sei denn ,man ginge auf einzelne
Szenen ein, die den schlamperten Gedankenmisch-Masch der Inszenierung verdeutlichen,
wie z.B.die Isis/Osiris Arie, gesungen von einem Zigarre-rauchenden Börsianer ; da verläßt einen jegliche weibliche Solidarität,die sich irrigerweise von einer weiblichen Regie
einen besonders einfühlsamen Zugang zu diesem Werk erwartet hat.

Freitag, 12.August, 16:40 Uhr

Tim Theo Tinn

Zauberflöten-Nachbesserung der 2018 Inszenierung

Dieser Aufguss, tatsächlich komplett neuer Inszenierungs-Versuch (keine Überarbeitung) , erschien noch schlechter als 2018.
Bühne ist miserabel turmlastig eng und treppenaffin. 3 Knaben und ein unverständlicher Schauspieler sind die Hauptakteure im munteren Treppauf-Treppabrennen aller. Verständlich wird’s nicht - da sollten wohl die militanten Tragödien unserer Welt in mühseligen Assoziationen betont werden. War mehr Fremdschämen als Berührung.
Sängerisch auf Festspielniveau konnte nur Regula Mühlemann überzeugen.
Musikalisch wurde häufig im raschen Trab die Mozart-Seele im Sentiment ignoriert. Das war meistens mehr undifferenziertes Hasten statt immer auch mal weihevollem, zeremoniellem, andächtigem Verweilen im Mozart Kosmos.Es war unbegabte Klitsche – gehört auf keine Bühne. Hab oft verwundert gegrinst. Das gibt es wohl nur in Salzburg – nachgewiesenem Flop/Misserfolg will ma „revanchistisch Brücken bauen“! Und nun Aida im gleichen Modus! Tim Theo Tinn 12.8.2022

Montag, 01.August, 01:06 Uhr

Luchino Visconti

Mehr wäre mehr

In Salzburg wäre Mozart-Perfektion zu erwarten, nicht eine Inszenierung, die zwei Anläufe benötigt und dann noch immer nicht besonders gelungen ist.
Die grandiose Covid-Così von Loy war ein Zeichen, was nötig wäre. Nämlich die möglichst intelligente Inszenierung genau dieses Stück. Und nicht das Aufbieten von Ideen, die auf dreißig andere Stücke genauso zutreffen können und an den Haaren herbeigezogen sind. Das Streichen der Dialoge in der Zauberflöte samt Einführung eines Erzählers ist einfach nur unterirdisch und zeigt, dass die Regisseurin das Stück selbst nicht verstanden hat. Und offenbar 4 Jahre nach ihrem Erstversuch noch immer nicht versteht.
Jetzt ist klar: Hinsichtlich Mozart muss in Salzburg dringend etwas geschehen. Nach dem intelligenten, aber schwerfälligen Don Giovanni und dem seichten Idomeneo wartet man endlich wieder auf eine gleichermaßen musikalisch wie szenisch außerordentliche und außergewöhnliche Produktion.

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