Puccini, aber anders: Am Freitag feierte sein Opern-Triptychon "Il trittico" Premiere bei den Salzburger Festspielen. Allerdings mit vertauschter Aktfolge. Ein gelungenes Experiment! Außerdem geriet der Abend zum Triumph der Starsopranistin Asmik Grigorian. Einziger Makel: Franz Welser-Möst verwechselte Puccini mit Strauss.
Bildquelle: picture alliance / Barbara Gindl
Eine sarkastische Gesellschaftskomödie, ein veristischer Reißer und ein mittelalterliches Mysterienspiel? In einer neuen, völlig unüblichen Reihenfolge präsentierte gestern die aktuelle Neuproduktion der Salzburger Festspiele Giacomo Puccinis "Trittico". Das Leitungs-Duo, Regisseur Christof Loy und Dirigent Franz Welser-Möst, korrigiert damit die eigentlich etablierte Steigerungsdramaturgie, spielt "Il tabarro" nicht zu Beginn, sondern als Mittelstück, setzt dafür "Gianni Schicchi" an den Anfang und "Suor Angelica" ans Ende. In drei verschiedenen Rollen ist die litauische Sopranistin Asmik Grigorian dabei, seit ihrer Salzburger "Salome" 2018 ein Top-Star der Opernszene.
Moralische Werte werden in Frage gestellt. Der listige Gianni Schicchi lässt sich zur Testamentsfälschung anstiften und vermacht sich dabei selbst ein Vermögen. Christof Loy, der die Regiekunst der feinen Klinge beherrscht, hütet sich vor dem Abgleiten in die Klamotte. Er mäßigt die Spiellaune des Ensembles. Denn es reicht ja schon aus, dass einem der witzige Parlando-Stil der Partitur um die Ohren fliegt. Asmik Grigorian nutzt die lyrischen Momente der Lauretta zu Ausbrüchen von nostalgischer Kantabilität, lässt Puccini sanft und lieblich klingen - und einen seiner populärsten Evergreens geradezu brunnenwasserklar.
Hier spricht die Sängerin im BR-KLASSIK Interview über ihren großen Durchbruch bei den Salzburger Festspielen 2018.
Aus dem Affekt heraus wird ein eifersuchtsgeplagter Schleppkahn-Schiffer zum Mörder am Liebhaber seiner Frau. Er verbirgt die Leiche unter seinem Mantel. "Il tabarro" bietet Asmik Grigorian die Gelegenheit, als Giorgetta auf den Flügeln frustrierten Verlangens abzuheben. Da will jemand einfach nur hinaus in die Freiheit. Loy interessiert vor allem der männerbestimmte Brutalismus als hintergründig-bedrohliche Grundfarbe des Stücks. Auch der sozialpsychologische Aspekt: Dieser Täter ist zugleich Opfer - durch die Ausweglosigkeit seines materiellen Elends. Beim Staffellauf der Baritone bietet Roman Burdenko als Michele dem zuvor erlebten Gianni Schicchi von Misha Kiria erfolgreich Paroli.
Geradezu göttlich: Sopranistin Asmik Grigorian | Bildquelle: SF / Monika Rittershaus "Suor Angelica" ist halb Genrebild, halb Psychodrama - was für eine raffinierte Mixtur aus Idylle und Depression! Die Titelheldin wird nach der Geburt ihres unehelichen Kindes von ihrer adelsstolzen Familie ins Kloster verbannt. Ein qualvoller Liebesentzug, der sie traumatisiert. Die Arme nimmt tödliches Gift, als sie beim Besuch ihrer Tante erfährt, dass ihr kleiner Sohn längst nicht mehr lebt. In Trance halluziniert Angelica ihren Sprößling, der als süßer Bub in kurzen Hosen barfuß seinen Auftritt hat. Auf die vom Libretto vorgesehene finale Marienerscheinung verzichtet die Inszenierung: Loy zeigt am Schluss schlicht und daher ergreifend - den Liebestod einer Mutter.
Lesen Sie hier, warum sich unser Kritiker bei der Auftaktpremiere nach einer Schinkensemmel sehnte. Und hier erfahren Sie, ob Christian Thielemann für seinen Bruckner in Salzburg zurecht gefeiert wurde.
Während durch die Ausstattung von Etienne Pluss in "Gianni Schicchi" noch ein Bett als zentraler Blickfang fungiert, danach im "Tabarro" ein stattlicher Schleppkahn die Bühne dominiert, lenkt in der karg gehaltenen "Suor Angelica" nichts mehr ab von ihr: der begnadeten Sängerdarstellerin Asmik Grigorian. Das natürliche Vibrato ihres Soprans elektrisiert jede und jeden. Betörend gestaltet sie den Wechsel vom In-sich-ruhen zum Außer-sich-sein. Zuerst in Nonnenkluft, dann im knielangen Kleid, mit Zigarette in der zitternden Hand.
Karita Mattila als Tante Fürstin tut sich an ihrer Seite schwer, Niveau zu halten. Der Dirigent Franz Welser-Möst überredet die Wiener Philharmoniker, Puccini als Zwillingsbruder von Richard Strauss zu betrachten. Als käme der Komponist aus oberbayerischen, nicht aber toskanischen Gefilden. Ärgerlich, dass es so gut wie keine Puccini-typischen Rubati gab, keinerlei mediterranes Brio! Aber die gewagte Stückfolge bekommt dem Dreiteiler gut. Folgt auf die Erbschleicherkomödie das Eifersuchtsdrama und darauf die Nonnentragödie, resultiert daraus eine mehr und mehr emotionalisierende Spannungskurve. Von einer naiv verliebten zu einer frustrierten Frau - und von ihr zu einer lebensüberdrüssigen. Am Beispiel dieser drei Figuren, werden sie so aneinandergereiht, ergibt sich eine bewegende Geschichte vom allmählichen Verlust menschlichen Lebenswillens.
Sendung: "Piazza" am 30. Juli 2022 ab 8:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (2)
Samstag, 30.Juli, 23:18 Uhr
Axel Kiefer
Il Trittico
Bester Herr Fischer, bzgl. Frau Grigorian ist festzustellen ,daß sie Laurettas bekannte Arie anfangs eindeutig zu tief intonierte und ihr jegliche Lieblichkeit abging, als Georgetta im Tabarro fehlen ihr echte Lirico-spinto-Qualitäten und in Suor Angelica war sie lyrisch am besten, aber berührt hat sie kaum, z.B. auch im Vergleich zu Ermonela Jaho in unserem Münchner Trittico, der auch vom Orchester unter Petrenko viel mehr Melos hatte.
Samstag, 30.Juli, 12:39 Uhr
P
Jetzt habe ich dreimal gelesen, dass Puccini mit Strauß verwechselt wurde, aber weiß immer noch nicht was das konkret bedeutet...
Strauss... aber ja, Sie haben völlig recht, unser Autor hat daher ergänzt (s.o.).
Herzlich
BR-KLASSIK