Die Internationalen Schostakowitsch-Tage in Gohrisch präsentieren am 25. Juni eine kleine Sensation: die Uraufführung dreier bislang unveröffentlichte Fragmente aus Dmitrij Schostakowitschs früher Oper "Die Nase". Thomas Sanderling wird sie dirigieren.
Bildquelle: Krzysztof Meyer: "Schostakowitsch. Sein Werk, seine Zeit", Bergisch Gladbach 1995
Zweimal weilte Dmitrij Schostakowitsch zur Erholung im sächsischen Kurort Gohrisch: 1960 und dann 1972, drei Jahre vor seinem Tod. Während seines ersten Aufenthalts schrieb der Komponist in Gohrisch sein Achtes Streichquartett. Es ist wohl das meistaufgeführte seiner insgesamt 15 Quartette - und zudem das einzige Werk Schostakowitschs, das nicht in der Sowjetunion entstand. Um die Beziehung des großen russischen Komponisten zu Gohrisch zu würdigen, wurde 2009 der Verein "Schostakowitsch in Gohrisch e.V." gegründet. Seit 2010 richtet der Verein in enger Zusammenarbeit mit der Staatskapelle Dresden und ihrem Dramaturgen Tobias Niederschlag die "Internationalen Schostakowitsch Tage Gohrisch" aus. Das Festival findet jährlich im Juli statt und dauert drei Tage - genau so lang, wie Schostakowitsch benötigte, sein Achtes Quartett zu komponieren, ebenfalls im Juli.
Thomas Sanderling wird die Uraufführung dirigieren. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Erster Schirmherr der Schostakowitsch-Tage war der Dirigent Kurt Sanderling, der Schostakowitsch noch persönlich gekannt und in Leningrad eng mit ihm zusammengearbeitet hatte. Sanderlings Sohn Thomas leitet nun am 25. Juni ein ganz besonderes Konzert. Kaum jemand hätte wohl damit gerechnet, dass es über 40 Jahre nach dem Tod Schostakowitschs noch unbekannte und unaufgeführte Werke des Komponisten geben würde. Genau dies aber ist der Fall: Erst vor etwa einem Jahr wurden drei Fragmente aus der Oper "Die Nase" entdeckt, die keinen Eingang in die Partitur fanden. Der Komponist Krysztof Meyer, Präsident der Schostakowitsch-Gesellschaft und Schostakowitsch-Biograf, hatte Thomas Sanderling auf diese Fragmente aufmerksam gemacht. Irina, die Witwe Schostakowitschs, ließ dem Dirigenten schließlich die Noten zukommen.
Ich bin zu 100 Prozent davon überzeugt, dass wir keine Symphonie von ihm mehr finden.
Warum Schostakowitsch die drei Orchesterstücke zur Seite legte, ist nicht bekannt. Sanderling glaubt, dass sie einer bewussten Entscheidung des Inszenierungsteams der Uraufführung zum Opfer fielen: "Nichts sollte Teil einer Operninszenierung sein, was nicht auf der Bühne auch dargestellt wurde." Meyer hingegen glaubt, dass Schostakowitsch allein über das Schicksal der Fragmente entschied - aus qualitativen Gründen: "Wäre er überzeugt davon gewesen, dass sie sehr gut sind, hätte er sie nicht weggeworfen." Nichtsdestoweniger dürfte die Uraufführung mit einiger Spannung erwartet werden - zumal der Nachlass Schostakowitschs mit großer Wahscheinlichkeit keine weiteren großen Überraschungen verborgen hält: "Ich bin zu 100 Prozent davon überzeugt, dass wir keine Symphonie von ihm mehr finden", so Krysztof Meyer.
Sonntag, 25. Juni 2017, 16.0 Uhr
Konzertscheune Gohrisch
Mieczysław Weinberg:
Auswahl aus den Kinderheften op. 16 und 19 für Klavier solo
Sofia Gubaidulina:
"Die Pilger" für Violine, Kontrabass, Klavier und zwei Schlagzeuger (Deutsche Erstaufführung)
Dmitri Schostakowitsch:
"Drei Fragmente, die nicht in die finale Version der Oper 'Die Nase' op. 15 aufgenommen wurden" (Uraufführung)
Mieczysław Weinberg:
Kammersymphonie Nr. 2 op. 147 (Uraufführung der viersätzigen Fassung)
Dmitry Sitkovetsky (Violine)
Petr Popelka (Kontrabass)
Elisaveta Blumina (Klavier)
Christian Langer, Simon Etzold (Schlagzeug)
Mitglieder der Sächsischen Staatskapelle Dresden
Leitung: Thomas Sanderling