Sein Ensemble musicAeterna wird mit russischen Geldern finanziert. Für das SWR Symphonieorchester ist das kein Grund, sich von seinem Chefdirigenten Teodor Currentzis zu trennen. Als symbolisches Zeichen wird auf der nun startenden Europatournee ein ukrainisch-deutsch-russisches Programm gespielt.
Bildquelle: picture alliance / BARBARA GINDL / APA / picturedesk.com | BARBARA GINDL
Das SWR Symphonieorchester und sein Chefdirigent Teodor Currentzis starten am 27. März 2022 ihre gemeinsame Europatournee. Als Appell für Frieden und Versöhnung haben das Orchester und sein Chefdirigent kurzfristig ein ukrainisch-deutsch-russisches Programm beschlossen. Anstelle der ursprünglich geplanten Werke von Marko Nikodijevic und Johannes Brahms werden Kompositionen von Oleksandr Shchetynsky, Jörg Widmann und Dmitrij Schostakowitsch zu hören sein.
Die Gespräche zwischen Teodor Currentzis, dem Orchestermanagement und dem Vorstand des Orchesters hätten klar bestätigt, dass die musikalische Zusammenarbeit auf der Grundlage gemeinsamer Werte und Überzeugungen basiert, hieß es von Seiten des SWR. Teodor Currentzis und die Mitglieder des SWR Symphonieorchesters stünden mit aller Deutlichkeit hinter dem gemeinsamen Appell für Frieden und Versöhnung. Ein darüber hinausgehendes Statement oder gar die Aufgabe seiner künstlerischen Tätigkeit in Russland erwartet der SWR von seinem Chefdirigenten nicht.
Teodor Currentzis hat sich bislang nie systemtreu geäußert. Dagegen hat er schon oft betont, dass er Musik als verbindende Kraft sieht, die Brücken bauen kann. Die finanzielle Unterstützung seines Ensembles musicAeterna mit Sitz in St. Petersburg durch die russische VTB Bank ist dem SWR bekannt. Diese ist aus heutiger Sicht sicherlich problematisch, besteht aber schon über einen längeren Zeitraum. Eine unterstützende Haltung für den laufenden russischen Angriff auf die Ukraine lässt sich daraus im Nachhinein nicht ableiten. Inwiefern die Finanzierung durch die VTB Bank für musicAeterna fortgesetzt wird, ist nach derzeitiger Kenntnis des SWR offen.
Teodor Currentzis hat uns keinen Anlass gegeben daran zu zweifeln, dass er ebenfalls in aller Deutlichkeit für Frieden eintritt.
Kai Gniffke, Intendant des SWR sagte in der Pressemeldung vom Freitag (25.03.2022): "Mit unserer umfassenden und transparenten Berichterstattung zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine sowie den fortlaufenden Informationen zu Hilfsaktionen und Spendenmöglichkeiten machen wir deutlich, dass unsere Solidarität den Menschen gilt, die Opfer dieses furchtbaren Krieges sind, ihre Heimat verlieren und um ihr Leben fürchten müssen. Wir helfen aber niemandem oder beenden gar den Krieg, wenn wir Künstlerinnen und Künstler, die in Russland leben und arbeiten, pauschal verurteilen und die Zusammenarbeit durch einen Automatismus beenden. Teodor Currentzis hat uns keinen Anlass gegeben daran zu zweifeln, dass er ebenfalls in aller Deutlichkeit für Frieden eintritt. Denn genau das war schon immer seine künstlerische Vision: mit Hilfe der Musik zu einem friedlichen Miteinander beizutragen und Grenzen zu überwinden. Dieses Ziel verfolgt er gemeinsam mit den Mitgliedern des SWR Symphonieorchesters mit dem Programm der nun startenden Tournee."
Der Artikel wurde mit Material der dpa erstellt.
Kommentare (2)
Montag, 28.März, 14:51 Uhr
Christoph Tentrup
Ukraine
Sehr geehrte Damen und Herren,
zur Zeit geht es darum, Massenmord, Kriegsverbrechen und Zerstörung ganzer Städte unverzüglich zu stoppen. Gegenüber den Opfern dieser unfassbaren Aggression - während diese geschieht! - unverbindlich von Frieden und Versöhnung zu sprechen, ist unangemessen. Ich prophezeie Ihnen, dass dem SWR lange ein Makel anhaften wird, wenn es Ihnen nicht bald gelingt sich zu den erforderlichen Schritten durchzuringen. Sie dürfen den Musikern (ich bin selbst einer) die Entscheidung nicht überlassen. Für den SWR als öffentlich-rechtlicher Sender gelten schärfere Maßstäbe!
Mit freundlichen Grüßen
Christoph Tentrup
Samstag, 26.März, 11:54 Uhr
Heinz Mannert
Wie weiter?
Die Entscheidung des SWR ist richtig und gut. Schwieriger ist die Frage, ob es für Currentzis überhaupt eine Zukunft in Russland gibt. Angeblich ist er bei Putin gerade so geduldet, aber nicht beliebt. Kein Wunder bei den Programmen, die er dort und anderswo mit musicAeterna, aber eben auch mit dem SWR Symphonieorchester gestaltet. Ein Mann, der Dimitri Kourliandskys "The Riot of Spring" uraufgeführt hat und aufs Programm setzt und den Filmemacher Ilja Chrschanowski ("Dau") zu seinen Freunden zählt, dürfte es zukünftig dort noch schwer haben als ohnehin schon. Für ihn als Griechen dürfte das nicht so ein großes Problem sein, aber er hängt emotional an musicAeterna. Es gibt die Bamberger Symphoniker, ursprünglich ein Exil-Orchester wie die mittlerweile aufgelöste Philharmonia Hungarica. Vielleicht wäre das ein Zukunftsmodell für die Musiker aus St. Petersburg? Ich bin gespannt, was nach der demnächst anstehenden Europa-Tournee passieren wird.