Der Chor des Bayerischen Rundfunks feiert heuer sein 70-jähriges Jubiläum. Am Dienstag sang der BR-Chor bei den Salzburger Osterfestspielen Beethovens monumentale "Missa solemnis". Christian Thielemann leitete die Sächsische Staatskapelle Dresden. Das Konzert in voller Länge gibt es hier sieben Tage lang zum Nachhören.
Bildquelle: Staatskapelle Dresden / Matthias Creutziger
"Die 'Missa solemnis' ist mit das Schwerste, was es für einen Chor überhaupt gibt", sagt Christian Thielemann. Er weiß, worauf er sich einlässt. Schon mehrfach sind Dirigenten davor zurückgeschreckt, Beethovens gewaltige Messe auf die Bühne zu bringen. Wilhelm Furtwängler beispielsweise fühlte sich dem Werk irgendwann nicht mehr gewachsen. Während es bei den einen als unaufführbar gilt, sieht Thielemann das anders. "Ich hab' die Botschaft zu transportieren, dass man das Stück machen kann", betont Thielemann. Er weiß, dass er sich auf den Chor des Bayerischen Rundfunks verlassen kann, weil er es "mit einer derartigen Mühelosigkeit singt, die man fast als unglaublich oder unverschämt bezeichnen kann".
So wie dieser Chor da rangeht, ist es völlig richtig.
Thielemann und den Chor des BR verbindet seit 2006 eine gute Zusammenarbeit. Dass nun nach den Requien von Verdi, Mozart und Brahms in Salzburg Beethovens "Missa solemnis" auf dem Programm steht, freut ihn besonders: "Das wurde jetzt einfach Zeit!" Thielemann schätzt die Haltung, mit der sich der Chor dem Werk nähert: "So wie dieser Chor da rangeht, ist es völlig richtig: Mit großer Ernsthaftigkeit und großem Verständnis."
Der Chor des Bayerischen Rundfunks wurde 1946 gegründet. Er feiert in diesem Jahr sein 70-jähriges Jubiläum. | Bildquelle: BR/Johannes Rodach Zu Beethovens "Missa solemnis" hat der Chor des Bayerischen Rundfunks eine besondere Beziehung. In seiner 70jährigen Geschichte hat er das Werk schon mehrfach aufgeführt - beispielsweise beim spektakulären Papstkonzert 1970 im Petersdom. Damals verfolgten rund 350 Millionen Fernsehzuschauer weltweit das Event. Einige Jahre später gab Sir Colin Davis mit dem Werk seinen Einstand als neuer Chefdirigent. Und auch die regelmäßigen Stereo-Sendungen des Bayerischen Rundfunks begannen mit einer Übertragung von Beethovens Mammutwerk. Zuletzt im Konzert trat der Chor mit der Messe im Herbst 2014 unter der Leitung von Bernard Haitink auf.
Der Chor des BR hat das Werk also schon oft gesungen. "Das merkt man ihnen natürlich an", sagt Christian Thielemann. In Salzburg will er nun versuchen, wieder einen neuen Zugang zu Beethovens "Missa solemnis" zu finden - zusammen mit Peter Dijkstra, dem Künstlerischen Leiter des Chores. "Herr Dijsktra macht da ein wunderbares Werk mit mir, weil wir uns auch so gut verstehen", erklärt Thielemann und fügt hinzu: "Ich vertraue ihm und die vertrauen mir. Und ich freue mich, mit welcher Intensität die dabei sind, weil jeder genau weiß, was er zu tun hat. Und wenn es dann drauf ankommt, ist er voll da." Bei den Proben testet Thielemann aus, wieviel er sagen muss, wieviel Gestik es beim Dirigieren braucht. Mit dem Chor des Bayerischen Rundfunks versteht er sich meist wortlos: "Es hat einfach was mit Chemie zu tun, mit Sympathie oder einfach gemeinsamem Musizieren", so Thielemann.
Es funktioniert mit ihnen gut, weil wir irgendwie auf einer Wellenlänge senden.
Ludwig van Beethoven vollendete seine "Missa solemnis" im Jahr 1823. Er hielt sie für eines seiner besten Werke. | Bildquelle: Beethoven-Haus Bonn
Beethoven war Feuer und Flamme für seine "Missa solemnis". Beim Komponieren ließ er sich jedoch Zeit. Das feierliche Hochamt, für das die Messe ursprünglich geplant war, fand deshalb ohne seine Musik statt. Erst drei Jahre später wurde die Messe fertig - im Frühjahr 1823. So lange hatte Beethoven daran herumgefeilt und die Form dabei nahezu gesprengt. Beethovens Anspruch war es, wie er selbst schrieb, "bei den Singenden als bei den Zuhörenden religiöse Gefühle zu erwecken". Aber ist seine "Missa solemnis" wirklich ein tief religiöses Werk?
Christian Thielemann hat da seine Zweifel: "Bei manchen Dingen hab ich so das Gefühl, Beethoven hat nicht dran geglaubt an den Text." Es gebe einige Stellen, an denen man das recht deutlich sehen könne. Das Wort "Sanctus" werde nur geflüstert. Und der berühmte Satz aus dem Glaubensbekenntnis, der sich auf die Anerkennung der katholischen Kirche als Autorität bezieht, werde nur ganz kurz abgehakt. "Das scheint bei ihm also nicht so der Fall zu sein", schlussfolgert Thielemann auf Beethovens Haltung zum Glauben. Und auch den Schluss empfindet Thielemann als ungewöhnlich kurz. "Er hat nicht den riesen Dona-Nobis-pacem-Knall gemacht, sondern er lässt das einfach auslaufen." Unabhängig davon, wieviel Religiosität in dem Werk steckt, war Beethoven selbst überzeugt davon, dass die "Missa solemnis" zu seinen besten Werken gehört.
Dienstag, 22. März und Freitag, 25. März 19.00 Uhr, Großes Festspielhaus
Ludwig van Beethoven
Missa solemnis
für Soli, Chor und Orchester
Krassimira Stoyanowa, Sopran
Christa Mayer, Mezzosopran
Georg Zeppenfeld, Bass
Chor des Bayerischen Rundfunks
Sächsische Staatskapelle Dresden
Peter Dijkstra, Choreinstudierung
Christian Thielemann, Dirigent