Nun hat sich auch die Tiroler Landesregierung in die Kontroverse um die Festspiele Erl und deren Leiter Gustav Kuhn eingeschaltet. Die Festspiele sehen sich mit Vorwürfen von Lohndumping, Korruption und sexueller Nötigung konfrontiert. Kuhn selbst spricht von Vorverurteilung.
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Kulturlandesrätin Beate Palfrader verlangt eine "rasche und vollständige Aufklärung aller Sachverhalte". Deshalb berufe sie eine Sitzung des Stiftungsvorstandes ein. Erstmals seien Anschuldigungen an das Land herangetragen worden, mit Namensnennung und nicht anonym. Diese Anschuldigungen seien an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet worden.
Demütigende und entwürdigende Erfahrungen mit Schikanen, Probenterror und Niederbrüllen
Der österreichische Blogger Markus Wilhelm hatte auf seiner Internetseite unter Berufung auf namentlich nicht genannte Quellen massive Vorwürfe die Adresse Kuhns sowie der Festspiele Erl gerichtet: Es bestehe der Verdacht, dass osteuropäische Musiker Lohndumping ausgesetzt seien, Musikerinnen und Musiker hätten "demütigende und entwürdigende Erfahrungen mit Schikanen, Probenterror und Niederbrüllen" machen müssen. Dem 72jährigen Dirigenten und Festspielleiter Gustav Kuhn wurde zudem sexuelle Nötigung vorgeworfen. Anschuldigungen, die Kuhn zurückweist: Er spricht von einer „Riesenvorverurteilung“.
Die Tiroler Festspiele Erl, 1997 von Kuhn ins Leben gerufen, bestehen aus einem knapp einmonatigem Opern- und Konzertfestival im Sommer und einer knapp zweiwöchigen Wintersaison von Ende Dezember bis Anfang Januar.
Der Vorwurf des Lohndumpings findet auch bei der Initiative "Art but fair" Widerhall, die sich für gerechte Arbeitsbedingungen von Musikern und Sängern einsetzt. Die Tiroler Tageszeitung berichtete Ende der vergangenen Woche unter Berufung auf "Art but fair" von einer "Zwei-Klassen-Gesellschaft", die in Erl herrsche: Ein deutscher Bratschist habe als Aushilfe bei den Winterfestspielen 87 Euro brutto pro Tag erhalten; Musiker aus dem weißrussischen Minsk, die ebenfalls in Erl tätig gewesen seien, nur 39 Euro pro Tag. Christian Sist, Vorsitzender von "Art but fair" Österreich, sagte über Skype dem ORF, es gehe darum, Strukturen zu schaffen, die so etwas nicht mehr möglich machen. Bezüglich der Allmacht der Intendanten oder der Regisseure müsse einfach umgedacht werden.
Natürlich wird kein russischer Musiker schlechter bezahlt.
Von Lohndumping könne keine Rede sein, entgegnet Festspielleiter Gustav Kuhn: "Natürlich wird kein russischer Musiker schlechter bezahlt als der normale, europäische Musiker, sondern die russischen Musiker kriegen summa summarum sogar ein, zwei Euro mehr."
Noch vor zwei Wochen hatte sich Tirols Kulturlandesrätin Beate Palfrader schützend vor Kuhn und die Festspiele Erl gestellt: Es habe nach Eingang von anonymen Hinweisen schon einmal eine Prüfung durch die Tiroler Finanzpolizei gegeben. Dabei seien "alle Vorwürfe" entkräftet worden. Jetzt verlangt die Kulturpolitikerin, das Land wolle als Miteigentümer der Stiftung die Arbeitsverträge der Künstler vollständig einsehen. Das Land Tirol unterstützte die Festspiele Erl im vergangenen Jahr nach Angaben der Tiroler Tageszeitung mit 1,15 Millionen Euro.