In München am Deutschen Theater erlebte Bernsteins "West Side Story" 1961 seine Deutschlandpremiere. Jetzt gibt es dort eine zeitgemäße Neuproduktion: inspiriert von Steven Spielbergs Neuverfilmung und der Black Live Matter-Bewegung.
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Für viele ist sie das Musical schlechthin: Die 1957 uraufgeführte "West Side Story" von Leonard Bernstein. Die im New York der 50er-Jahre spielende Romeo und Julia-Geschichte ist ab Freitag, 16. Dezember, dreieinhalb Wochen lang im Deutschen Theater in München zu erleben. Anschließend geht die Produktion auf Welt-Tournee.
Bildquelle: © Susanne Brill Es ist also diesmal nicht eine Inszenierung, die seit Jahrzehnten immer mal wieder in München gastierte, sondern eine neue, verantwortet vom New Yorker Regisseur Lonny Price. "Es gibt ein brandneues Bühnenbild und wir haben eine komplett neue Besetzung“, sagt Price. Trotzdem bleibe es natürlich die traditionelle, die klassische Bühnenversion. "Wir haben sie nicht auf den Mond ins Jahr 2040 versetzt. Sie spielt in der Zeit, in der sie ursprünglich intendiert war. Aber wir haben sie in einen etwas anderen Kontext gestellt."
Vor ziemlich genau einem Jahr kam Steven Spielbergs Neuverfilmung der "West Side Story" in die Kinos. Die Sharks, also die Gang der Puerto Ricaner, waren durchwegs mit Schauspielerinnen und Schauspielern mit lateinamerikanischem Hintergrund besetzt. Das ist auch in der neuen Inszenierung von Lonny Price so. "Es ist schön, sie im Ensemble zu haben", sagt der Regisseur. Weil so auch sichergestellt werden könne, "dass wir ihre Kultur korrekt darstellen. Und das tun wir. Da bin ich mir ziemlich sicher“.
Besonders auffällig in der Verfilmung von Spielberg war die Aggressivität und Gewalttätigkeit bei den Kampfszenen zwischen den beiden Gangs. Im Film kann man so etwas machen, sagt Regisseur Lonny Price, auf der Bühne dürfe man nicht zu realistisch sein mit den Kämpfen. Sie seien sehr aufregend, aber auch in gewisser Weise stilisiert. Vor allem aber: An die ursprünglich von Jerome Robbins eingerichteten Choreographien halte man sich auch in dieser Inszenierung sehr genau und an dessen Vorgaben, so Price.
Der amerikanische Traum ist nicht verfügbar für People of Colour und für Menschen in einer bestimmten gesellschaftlich-wirtschaftlichen Situation.
Bildquelle: © Jeff Busby Marias Freundinnen schwärmen vom sorglosen Leben in Amerika. Mit Kreditkarte zahlen, eine Waschmaschine besitzen, eine Wohnung mit Terrasse. Durch die MeToo- und die Black Lives Matter- Bewegung hätte er einen Blick dafür entwickelt, sagt Lonny Price, dass der amerikanische Traum vielen Menschen verwehrt ist. Der amerikanische Traum ist verfügbar für Leute, die gut ausgebildet sind, für die eine gute Ausbildung verfügbar ist, deren Familienleben das unterstützt. "Der amerikanische Traum ist, glaube ich, nicht verfügbar für People of Colour und für Menschen in einer bestimmten gesellschaftlich-wirtschaftlichen Situation. Zumindest nicht im Vergleich zu Mittelklasse-Weißen in den meisten Bundestaaten."
Im Stück werden Werbeplakate aus dem im Überfluss schwimmenden Nachkriegs-Amerika aufgehängt. Direkt über den beiden rivalisierenden Gangs, denen sie vorgaukeln, Wirklichkeit werden zu können, die aber de facto unerreichbar für sie ist. Lonny Price denkt, dass genau diese Unerreichbarkeit etwas ist, wodurch eine Menge Wut und Aggression befeuert wird. "Wenn ich Regie führe, habe ich diese Dinge im Kopf und ich denke, dass das ein Weg ist, die Handlung in einen neuen, aktuellen Kontext zu stellen."
Sendung: "Allegro" am 14. Dezember 2022 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK
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