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Top Ten - Die besten Klassikalben 2022 Unsere Favoriten des Jahres

Welche Klassik-Einspielungen haben 2022 begeistert? Was waren die besten Veröffentlichungen? Die BR-KLASSIK-Redaktion hat das musikalische Jahr Revue passieren lassen – und eine Auswahl getroffen.

Frau hört im Winter Musik mit Kopfhörern | Bildquelle: Nicoleta Ionescu

Bildquelle: Nicoleta Ionescu

#1 "Secret Love Letters" mit der Geigerin Lisa Batiashvili

Lisa Batiashvili und Yannick Nézet-Séguin – die Stargeigerin und der Pultstar sind ein eingespieltes Team. Beide in ihren Vierzigern, haben die Georgierin und der Frankokanadier schon mehrere Aufnahmen zusammen gemacht. Und ihre erfolgreiche Zusammenarbeit Anfang des Jahres in Philadelphia fortgesetzt, wo Nézet-Séguin das weltberühmte Orchester der Stadt leitet. Ihr neues Album mit dem Titel "Secret Love Letters" ist bei der Deutschen Grammophon erschienen und bietet spätromantische Violinkonzerte von Ernest Chausson und Karol Szymanowski. Dieses Album wird lieben, wer sich gern mal sehnsuchtsvollen, süffigen und traumverlorenen Klängen hingibt.

Bildquelle: Deutsche Grammophon

#2 Kirsten Johnson spielt Klavierwerke von Florence Price

Zartes Idyll, tänzelnde Lebensfreude, melancholisches Seufzen und augenzwinkernder Humor – es macht einfach Freude, Pianistin Kirsten Johnson bei ihrer Pionierarbeit zuzuhören. Die in Großbritannien lebende US-Amerikanerin hat bereits mehrfach Klaviermusik von in Europa Unbekannten aufgenommen. Nun kommt Florence Price dazu. Das neue Album ist ein wunderbarer Beitrag zu einer Diskussion, die den Blick auf die Geschichte der klassischen Musik weiten möchte. Florence Price war die erste Afroamerikanerin, die in den USA als Komponistin klassischer Musik bekannt wurde. Nach ihrem Tod 1953 geriet ihre Musik lange in Vergessenheit – inzwischen erlebt die Komponistin ein Revival. Kirsten Johnson leistet dazu einen weiteren Beitrag, denn zum ersten Mal überhaupt ist nun Klaviermusik von Florence Price als Aufnahme erhältlich. Hörenswert!

Bildquelle: Guild

#3 Klaus Mäkelä dirigiert Sibelius

In die Musik von Jean Sibelius kann man sich spontan verlieben – oder beim Wiederhören immer wieder aufs Neue. So, wie jetzt bei der glänzenden neuen Gesamtaufnahme der sieben Symphonien durch das Oslo Philharmonic unter seinem jungen, 1996 geborenen Chefdirigenten Klaus Mäkelä. Seine Interpretationen bestechen ebenso durch ihre Klarheit und Stringenz wie durch ihren warmen Klang, beleuchten die kompositorischen Strukturen und vermitteln doch ein hohes Maß an Emotionalität und Sinnlichkeit. Dieses neue Album ist ein fulminantes Plädoyer für einen Komponisten, der sich selbst als eine "Erscheinung aus den Wäldern" bezeichnete, der aber alles andere als ein Hinterwäldler war.

Bildquelle: Decca

#4 "Paris Bar": Kammermusik der 1920er mit dem Notos Quartett

Von den "Années folles" – den verrückten Jahren – ist die Rede, wenn es um das Paris der 20er Jahre geht. Die Atmosphäre nach dem Leid des ersten Weltkriegs war geprägt von einer kreativen Aufbruchsstimmung, die Tradiertes in Frage stellte und neue Ausdrucksformen in Musik, Kunst und Film befördert hat. Musikalisch nachvollziehen kann man das mit der aktuellen CD des Berliner Notos Quartetts. "Paris Bar" heißt das Album mit Kammermusik von Jean Françaix, Alexandre Tansman und László Lajtha. Ihre Werke sind geprägt von der dort herrschenden multikulturellen Vielfalt. Es ist eine Musik voller Esprit: charmant, witzig und originell. Wie wunderbar symbiotisch das Klavier mit den drei Streichern ausbalanciert ist, zeigt, wie gut die vier Mitglieder des Notos Quartetts aufeinander eingespielt sind.

Bildquelle: BR / Sony Classical

#5 Der Pianist Krystian Zimerman spielt Szymanowski

Medienzirkus ist dem Pianisten Krystian Zimerman ein Gräuel. Die Zahl seiner Alben ist überschaubar, auch, weil er sie schon mal nicht freigibt, wenn sie seinem hohen Anspruch nicht genügen. Dass er sich jetzt für seinen wenig bekannten Landsmann Karol Szymanowski stark macht, ist ein Statement. Zimermans Querschnitt durch Szymanowskis Klavierwerk ist grandios. Die raffinierte, harmonisch oft nicht eindeutige, scheinbar ziellos freie Musik Szymanowski liegt dem polnischen Pianisten. Er spielt sie extrem sensitiv und zart, zaubert Klänge, die glasklar, zugleich unendlich sinnlich und mystisch wirken. Hier trifft fantastische Klavierspiel auf ein tolles Repertoire.

Bildquelle: Deutsche Grammophon

#6 Jordi Savall dirigiert Beethoven

Brauchen wir die gefühlt zweihundertste Gesamtaufnahme der Symphonien Ludwig van Beethovens? Ja unbedingt, wenn sie so klingen wie bei Jordi Savall und seinem fantastischen Originalklang-Orchester "Le Concert des Nations". Savalls Beethoven klingt frisch und jugendlich. Unglaublich pointiert und geschärft kommen die Symphonien daher, mal tänzerisch und federnd, mal mit dramatischer Wucht, hell und wunderbar trennscharf im Klang, rhythmisch klar grundiert von den trockenen, immer wieder ungestümen, doch nie aufdringlichen Paukenschlägen. In seinem eigenen Label AliaVox veröffentlicht Jordi Savall eine liebevoll und unendlich aufwändig gestaltete Edition, eher Buch als CD. Beethoven ist bei ihm in den besten Händen!

Bildquelle: Alia Vox

#7 Martha Mödl singt Auszüge aus Wagners "Siegfried" und "Parsifal"

"Diese Frau kann fesseln wie keine andere!" Das sagte Wieland Wagner einst über die Opernsängerin Martha Mödl. Zum 110.Geburtstag der Gesangslegende ist in der Edition Profil Günter Hänssler in Koproduktion mit BR-KLASSIK eine ungewöhnlich programmierte Doppel-CD erschienen: der dritte Aufzug des "Siegfried" und der zweite Aufzug des "Parsifal". Martha Mödl besaß ein natürliches Pathos, mied gezielt jegliche Übertreibung. Ihren Partien lieferte sie sich auf Gedeih und Verderb aus. Wenn die Mödl auf der Bühne stand, war das nie ein "als ob", sondern von einer Glaubhaftigkeit, die betroffen machte. Ihre "Kundry" ist eine am Leben leidende Frau, ihre "Brünnhilde" glüht vor Lebenslust. Ein gelungenes Album, das zwei Wagner-Opern voller "Durststrecken" auf ihren jeweils spannendsten Akt reduziert.

Bildquelle: Profil - Edition Günter Hänssler

#8 Erstmals eingespielt: Musik von Charlotte Sohy

Sie haben noch nie von Charlotte Sohy gehört? Wie denn auch! Ihre Manuskripte staubten in privaten Schubladen vor sich hin. Jetzt sind dank der Initiative von "Elles – Women composers" fünfzehn ihrer rund fünfunddreißig Werke als Ersteinspielung erschienen, beim neuen Label "La Boîte à Pépites". Die drei CDs mit den Schwerpunkten Klaviermusik, Streichquartett und Orchester beleuchten jeweils andere Facetten der Belle-Epoque-Künstlerin Charlotte Sohy. Die Orchesterlieder, Streichquartette und Klavierstücke zeichnen das Bild einer sensiblen, geistreichen, selbstbewussten Künstlerin, die auf ihre Weise mit der Zeit geht. Großartige Musik, endlich hörbar macht!

Bildquelle: La Boite a Pepites

#9 Reich/Richter vereint Minimal Music und moderne Kunst

Ein Pulsieren, ein Rufen, ein Sog. Vom ersten Ton an zieht einen diese Musik in ihren Bann, macht imaginäre Räume auf, hypnotisiert. Die neue CD mit dem Ensemble Intercontemporain bringt zwei prominente Künstler zusammen: Gerhard Richter, einen der profiliertesten und gefragtesten Maler der Gegenwart. Und Steve Reich, den Altmeister der Minimal Music. Die Kombination funktioniert! Gerhard Richter hat eines seiner Gemälde gescannt, um es dann zu teilen und dabei zu spiegeln, immer weiter und weiter, bis es schließlich in 4096 Mosaiksteinchen aufgelöst ist. Seve Reich hat sih davon inspirieren lassen und eine Musik als kleinsten Motivzellen geschaffen. Ein Album für alle, die sich für moderne Kunst begeistert – oder einfach nur gute Musik mögen.

Bildquelle: Nonesuch

#10 "Embrace" mit dem Bariton Äneas Humm

Die Begeisterung fürs Singen hat Äneas Humm bei den Zürcher Sängerknaben entdeckt. Schon mit 18 Jahren gab der Bariton am Stadttheater Bremerhaven sein Bühnendebut. Kurz darauf sang er bereits eine Operetten-Titelrolle in Vaduz. Auch in seinem neuen Album "Embrace" zeigt er, was er stimmlich so drauf hat und mischt gekonnt Kopf- und Bruststimme. Äneas Humm versteht nicht nur, was er da singt und wie er es rüberbringen muss, er durchlebt es auch. Eine weitere Stärke des Albums: die Zusammenstellung der Lieder unter dem Motto "Embrace" – also Umarmung. Lieder von Fanny Hensel, die man hier als geniale Komponistin erlebt. Dazu Lieder von Franz Liszt, der in diesem Genre chronisch unterschätzt wird. Lieder von Viktor Ullmann, der von den Nazis ermordet wurde. Und Lieder von Edvard Grieg auf deutsche Texte – selten zu hörende, tolle Entdeckungen fürs Repertoire. 

Bildquelle: Rondeau

Kommentare (3)

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Montag, 12.Dezember, 16:07 Uhr

Beate Germann

Wer empfiehlt das?

Ich finde es nahezu feige, Web-Artikel mit "von BR-Klassik" als Urheber zu zeichnen! Stehen die Redakteur, die diese CDs vorschlagen, nicht dazu??? Und was für ein seltsames Sammelsurium - früher gab es fundierte, gute Empfehlungen, nun wundert an sich nur noch, was aus BR-Klassik geworden ist ...

Montag, 12.Dezember, 02:00 Uhr

Aus der Zeit Gefallener

Selbst bei der Jahresendliste...

...ist euch die Ideologie lieber als die Kunst. Traurig.

Na dann viel Spaß mit den Schubladenwerke der ach so verkannten tollen Frauen. Aber wahrscheinlich hört ihr die auch nicht zu Hause. Musik spielt eh keine große Rolle mehr in eurem Leben.

Wo sind die Werke der Transsexuellen? Diese Diskriminierung ist eigenlich unverzeihlich.

Samstag, 10.Dezember, 18:08 Uhr

Maren Ottorami

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