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Händel-Festspiele in Halle mit dem BR-Chor "Eine tolle Visitenkarte für unseren Chor!"

Am 10. Juni gastiert der Chor des BR mit seinem Künstlerischen Leiter Howard Arman bei den Händel-Festspielen in Halle mit dem "Messias". Für den Chor ist es das Debüt bei diesem Festival, Arman hingegen ist den Festpielen seit Langem eng verbunden. Im Interview mit Arman und dem Chor-Bassisten Timo Janzen geht es um die spezielle Atmosphäre in Halle - und um die Herausforderung für die Sänger, sowohl im Chor als auch solo zu singen.

Bildquelle: © Astrid Ackermann

Das Interview zum Anhören

BR-KLASSIK: Howard Arman, Händels "Messias" ist fast so etwas wie eine musikalische Wunderwaffe - eines von jenen Werken, die jeder kennt und die das Publikum immer wieder hören will. Was ist die Magie dieses Stücks?

Howard Arman: Wie die meisten Werke, die überlebt und nicht an Popularität verloren haben, ist es eigentlich ein sehr außergewöhnliches Stück. Und wie bei all diesen Werken, die anfänglich das Publikum überrascht haben, ist ein Teil des Überraschungsmoments geblieben. Erst gestern bei der Probe haben wir wieder festgestellt - und wir haben alle dieses Werk schon oft aufgeführt: Man findet immer wieder etwas Neues; es gibt Tiefen und Komplexitäten, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen kann. Die Botschaft des Stücks wirkt immer wieder sehr frisch, und das bedeutet für uns jedes Mal ein Stück Arbeit, aber erfreuliche Arbeit. Es gibt keine Routine beim "Messias".

In Halle muss man schon wirklich top sein.
Timo Janzen

BR-KLASSIK: Sie sind am 10. Juni mit dem "Messias" bei den Händel-Festspielen in Halle zu Gast. Das ist ja jetzt nicht irgendein Ort - weder für Händel noch für den "Messias". Der Chor des Bayerischen Rundfunks singt zum ersten Mal dort. Gibt es da - trotz allen Profitums - so etwas wie Premierenfieber, das man mit auf die Reise nimmt?

Timo Janzen: Bestimmt. Wir freuen uns alle sehr, und es ist toll, dass wir zum ersten Mal auf diesem Festival auftreten dürfen. Es ist eine gewisse Ehre - nicht zuletzt aufgrund der vielen Spezialisten, die dort auftreten. Da muss man schon wirklich top sein und am besten noch eine Schippe drauflegen.

BR-KLASSIK: Howard Arman, für Sie ist Halle, im Gegensatz zu Ihrem Ensemble, ein Ort, der Ihnen sehr vertraut ist. Sie haben das Festival entscheidend mitgeprägt und wurden 1996 mit dem Händel-Preis ausgezeichnet. Was ist für Sie, als Kenner des Lokalkolorits, das besonders Schöne an diesem Festival?

Howard Arman, Künstlerischer Leiter Chor, Bayerischer Rundfunk | Bildquelle: BR/Astrid Ackermann Dirigent Howard Arman | Bildquelle: BR/Astrid Ackermann Howard Arman: Wir kommen ja mit einem zentralen Werk des Händel-Repertoires nach Halle, und dieses Werk ist so etwas wie eine Vitrine. Andere Werke kommen und gehen, jedes Jahr gibt es neue Opernproduktionen, aber der "Messias" kommt immer. Und es sind auch immer Vorzeigeensembles, die ihn interpretieren. Der Hintergrund ist natürlich auch, dass man dort ein sehr fachkundiges Publikum hat - nicht nur Enthusiasten, sondern Leute, die sich wirklich gut auskennen: Ich habe auf diesem Festival erstaunlich tiefe, bisweilen regelrecht musikwissenschaftliche Diskussionen mit Konzertbesuchern geführt. Das ist schon eine ganz besondere Atmosphäre.

Das ist eigentlich die größte Herausforderung für uns Chorsänger - sich auf diese doppelte Rolle einzustellen.
Timo Janzen über das Singen als Solist

BR-KLASSIK: Sie lassen im "Messias" die Arien nicht von speziellen Solisten singen, sondern jeder der Chorsänger übernimmt eine der Solopartien. Herr Janzen, mögen Sie erzählen?

Timo Janzen: Es ist ja schon ab und zu der Fall, das man aus dem Chor heraus irgendwelche Soli singt. Das ist eigentlich die größte Herausforderung für uns Chorsänger - sich auf diese doppelte Rolle einzustellen. Es freut mich riesig für die ganzen Kolleginnen und Kollegen, die in ihrer Verschiedenheit eine unglaubliche Bandbreite zeigen, dass sie das machen dürfen. Für mich persönlich ist es auch etwas ganz Besonderes, weil die von mir gesungene Arie "The Trumpet Shall Sound" eine tolle Nummer ist - aber leider eine der letzten im ganzen Stück. Da muss man sich halt so disponieren, dass man zweieinhalb Stunden im Chor singt - und das nicht zu knapp - und dann die Nummer 'raushaut. Man muss sehen, was draus wird. (lacht)

BR-KLASSIK: Sie müssen das also mit einer anderen Technik singen - letztlich mit einer anderen Stimme, denn der Klang einer Solostimme ist ein anderer als die einer Chorstimme, die sich logischerweise einfügen muss, um homogen zu sein. Wie macht man das mental? Haben Sie da einen Plan?

Timo Janzen | Bildquelle: Ackermann Bassist Timo Janzen | Bildquelle: Ackermann Timo Janzen: Ja. Man muss die Solostimme so einstellen, dass man die Aufregung kanalisieren kann, damit es zu einem guten Ergebnis führt. Und man muss viel körperlicher und freier agieren. Das klappt in Zusammenarbeit mit Howard Arman ganz wunderbar, er lässt einem die Freiheit das zu tun, was man für seine Stimme in dem Moment tun will. Der Plan ist der, dass ich vielleicht bei den Chornummern direkt vorher nicht hundert oder achtundneunzig Prozent gebe, sondern die Kollegen bitte, mir drei oder auch fünf Prozent abzunehmen, damit ich mich ein wenig schonen kann. Das können wir, glaube ich, alles auffangen.

Ein Solist - das war früher einfach der, der übrig bleibt.
Howard Arman

Howard Arman: Das möchte ich noch ergänzen. Die Praxis, dass Solisten aus dem Chor hervortreten, ist eine uralte Praxis; das hat es schon vor der Barockzeit gegeben. Ein Solist war, in der damaligen Praxis, einfach derjenige, der übrigbleibt. Wenn das Tutti nicht singt, bleibt einer übrig. Bei uns ist das anders, denn für uns sind das zwei verschiedene Klangebenen. Manchmal ist es sehr schwer, diese beiden Ebenen miteinander zu vereinen. Bei uns klappt es aber wunderbar. Und wenn wir jetzt sagen können: Fünfzig Prozent von uns singen heute Abend solo - das ist eine tolle Visitenkarte für einen der weltbesten Chöre. Und wir spielen auch mit einem der weltbesten Orchester: Concerto Köln. Ich habe gestern gesehen, wie dieses Orchester unsere musikalischen Beiträge goutiert.

Die Fragen stellte Annika Täuschel für BR-KLASSIK.

(Sendung: "Leporello" am 8. Juni 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK)

Zum Konzert

Händel-Festspiele Halle
Samstag, 10. Juni 2017, 20.00 Uhr

Georg Friedrich Händel:
"Messiah"
HWV 56 (Londoner Fassung von 1743)

Chor des Bayerischen Rundfunks
Solisten aus dem Chor
Concerto Köln
Leitung: Howard Arman

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