Immer, wenn er sich in seinem unberechenbaren Perfektionismus beleidigt sah, suchte sich Klaus Kinski ein Opfer – mal den Kameraassistenten, mal einen Statisten – um seine hohe Kunst der Tobsucht an ihm auszuleben.
Es gab vielleicht nur einen Einzigen, der die genialische Wut des Schauspielers zulassen und zugleich bändigen konnte: den Regisseur Werner Herzog. Fünf Filme drehte er mit Kinski in der Hauptrolle. Fast zehn Jahre nach Kinskis Tod hat sich Werner Herzog noch einmal auf die Spuren ihres gemeinsamen Wirkens begeben. An den früheren Drehorten schildert er aus seiner Perspektive und voller subtiler Ironie die Höhe- und Tiefpunkte ihrer Zusammenarbeit. Dazwischen zeigt er immer wieder Filmausschnitte und Aufnahmen von Dreharbeiten und erinnert sich gemeinsam mit Claudia Cardinale oder Eva Mattes an Kinskis „Kehrseiten", seine Fähigkeit zur emotionalen Wärme und Zärtlichkeit.
Kennengelernt hatten sich Herzog und Kinski in München, wo der 13-jährige Herzog durch Zufall auf derselben Etage wie der junge Theaterschauspieler wohnte. Mit einem schüchternen Lächeln auf dem Gesicht erzählt Herzog dem heutigen, höchst distinguierten Besitzer der Wohnung, wie Kinski damals das Bad zertrümmerte, Türen eintrat und wilde Zuckungen bekam, wenn die Wirtin, die ihn aus Großmut umsonst dort wohnen ließ, seine Hemdkragen nicht ordentlich genug gebügelt hatte. Herzog hätte sich nicht träumen lassen, dass er einmal mit diesem Monstrum zusammen fünf Filme drehen würde.
Ein Ausschnitt aus dem Spielfilm „Fitzcarraldo": Kinski sitzt, umringt von Indianern, mit misstrauisch rollenden Augen zu Tisch, während in seinem Rücken ein Häuptling über ihn spricht. In der Dokumentation erzählt Herzog, dass derselbe Häuptling nach den Dreharbeiten ihm, vor dessen Ruhe die Indianer mehr Respekt verspürten, angeboten hätte, den Tobsüchtigen zu töten – Herzog lehnte dankend ab. Er selbst allerdings war es, der ein andermal Kinski durch Mordandrohung daran hinderte, die Dreharbeiten abzubrechen. Kinski schrie sofort nach der Polizei mitten im Urwald, aber er blieb und arbeitete fortan diszipliniert weiter.
Ich kann durch ihn hindurch sehen wie durch Wasser, verrät Herzog. Warum sie zusammenarbeiten, werden sie auf einem Festival gefragt. Weil er verrückt ist, erwidert Kinski sofort, genauso wie ich.
Das unausgesprochene gemeinsame Einverständnis, so weit zu gehen wie möglich, der Größenwahn, den sie sich gegenseitig bescheinigten, kettete sie aneinander.
Fünf Filme drehten Herzog und Kinski zusammen: „Aguirre, der Zorn Gottes" (1972), ,"Nosferatu – Phantom der Nacht" (1978), ,"Woyzeck" (1979), "Fitzcarraldo" (1981) und "Cobra Verde" (1987). Einen weiteren Film hätte es noch geben können. Allerdings weigerte sich Herzog, bei Kinskis hemmungslos egomanischem Paganini-Projekt Regie zu führen.