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Freitag, 19.06.2020

21:00 bis 21:45 Uhr

ARD alpha

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Am Genfer See gibt es etliche Pensionate für Höhere Töchter deren Zweck es ist, die Mädchen auf die schöngeistigen Pflichten einer perfekten Gattin eines Mannes von Welt vorzubereiten. Im Bild: Mädchen bei einem Hauskonzert. | Bildquelle: BR/SWR

Bildquelle: BR/SWR

alpha-retro: Arme und reiche Kinder alpha-retro: Höhere Töchter (1962)

Beobachtungen am Genfer See

Corinne Pulver drehte 1962 eine Dokumentation über Mädchenpensionate am Genfer See in der Schweiz. Begüterte junge Frauen nannte man damals noch Höhere Töchter und auch damals noch bestand die Aufgabe solcher Pensionate bzw. Internate darin, die Mädchen und jungen Frauen auf die schöngeistigen Pflichten im Leben einer Gattin eines Mannes von Welt vorzubereiten. Aber man sieht doch auch, dass dies nicht mehr das Ziel von allen war, viele wollten lieber Wasserski laufen auf dem Genfer See.

Mitwirkende

 
Redaktion Martin Posselt
Ein Mädchenpensionat, also ein Internat für höhere Töchter am Genfer See in der Schweiz im Jahr 1962. Was lernten die jungen Frauen damals in diesen traditionsreichen Häusern? In seinem solchen Pensionat ging es seit dem späten 19. Jahrhundert vor allem darum, sich auf die schöngeistigen Pflichten einer perfekten Gattin eines Mannes von Welt vorzubereiten. War das auch zu Beginn der Sechzigerjahre noch so? Oder brach nicht auch dort bereits die Moderne mitsamt einem anderen Frauenbild ein?

Die Filmemacherin Corinne Pulver – die Schwester von Lieselotte Pulver – lässt Heinz Baumann einen durchaus ironisch grundierten Text sprechen. Über die im Garten flanierenden jungen Frauen sagt er, diesen meist begüterten Töchtern fehle es in der „sittsam gepflegten Atmosphäre eines solchen Instituts auch heute nicht an jenem etwas melancholisch stimmenden Luxus, der anscheinend den Vorstellungen einer Traumerziehung entspricht, wie sie schon von den standesbewussten Großmüttern dieser Mädchen im Stile der Gartenlaube gehegt wurden… Der ausgezeichnete und zweifellos verdiente Ruf des Hauses hängt sicher damit zusammen, dass hier noch der gute Geist von handgenähter Wäscheaussteuer herumspukt – bisweilen glaubt man auch, den moralisch strengen Hauch von Mottenkugeln zu verspüren.“

Die jungen Frauen lernen, wenn sie mögen, Fremdsprachen, sie nehmen, wenn sie mögen, Ballettunterricht oder auch Tennisstunden. Und ganz Verwegene verbringen die meiste Zeit ohnehin beim Wasserskilauf auf dem See, was selbstverständlich mit Extrakosten verbunden ist. Einerseits werden die jungen Frauen in einem solchen Pensionat gepflegt und gehegt wie Pretiosen und andererseits wollen sie selbst auch jetzt schon ein Leben führen, das ein wenig aufregend und abenteuerlich ist.

Freuen Sie sich auf einen Film aus einer Zeit, in der Eliteschülerinnen noch Höhere Töchter genannt wurden und für diese der Begriff „Leistungsdruck“ quasi ein Fremdwort war. Es scheint zumindest, als wäre das Leben in einem solchen Pensionat zu Beginn der Sechzigerjahre eine wahre Freude gewesen.

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