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Samstag, 27.03.2021

22:20 bis 23:00 Uhr

ARD alpha

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Bildquelle: BR

alpha-retro: Frankreich

Französische Provinz - Bretagne (1962)

Thema des Films von 1962 sind die Probleme der armen Bauern in der Bretagne und die der Bergarbeiter im "pays noir". Das "pays noir" ist das „schwarze Land“ im Norden Frankreichs, das Kohlerevier im Département Nord-Pas-de-Calais. Die Bauern leben 1962 noch in Höfen wie aus dem 18. Jahrhundert.

Mitwirkende

 
Redaktion Martin Posselt
Der Film beginnt mit einem damals modernen Hochhaus des sozialen Wohnungsbaus – irgendwo in der Provinz in Frankreich. Das Gebäude sieht wirklich modern und ansehnlich aus – auch aus heutiger Sicht. Damals waren diese Häuser ein Versprechen auf eine bessere Zukunft, auch im "pays noir", im „schwarzen Land des Nordens“, wie diese Gegend im Film genannt wird. Gemeint ist das heutige Département Nord-Pas-de-Calais – den deutschen Zuschauern bekannt aus dem Kinofilm „Willkommen bei den Sch’tis“ aus dem Jahr 2008. Ein modernes Wohnhochhaus also. Dann ein Schnitt: Ein Bauer mit Pferd vor seinem Karren.

Pittoresk aber damals für die Bretagne noch völlig normal. Die Probleme dieser zwei Welten sind das Thema dieses Films. So modern das Hochhaus, so alt der Hof von Bauer Louis Durand: so wie sich der Hof in die Landschaft duckt, könnte er ohne Änderung als Kulisse in einem Historienfilm über das 18. Jahrhundert dienen. Im Kohlerevier hängen die Ehefrauen die frisch von Hand gewaschene Wäsche im Hof der Arbeitersiedlung auf – noch ohne Hochhäuser. Wohlwissend dass die Wäsche beim Trocknen allein durch die schlechte Luft wieder grau und schmutzig werden wird. Der Bauernhof von Louis Durand in der Bretagne gehört zu den größeren Höfen. Aber auch hier hat das Wohnhaus nur zwei Räume.

Eine „Wohnküche“ ohne Herd, denn die Bäuerin kocht noch auf einer offenen Feuerstelle, und ein Schlafzimmer für alle mit riesengroßen hölzernen Schränken. Und eine kleine Madonna aus Lourdes mit eingebauter Spieldose gibt es. Das Wasser muss noch per Hand vom eigenen Brunnen im Hof geholt werden. Damals verlor die Landwirtschaft Frankreichs jedes Jahr ungefähr 100000 Menschen durch Abwanderung in die Städte. Im Kohlerevier bereitet um halb fünf Uhr morgens die Frau des Bergarbeiters Roger das Frühstück für ihren Mann. Seit 14 Jahren jeden Morgen. Sie macht Kaffee und füllt ihn in den Henkelmann, macht Brote und gibt sie in die Dose. Und die tägliche Ration Kautabak füllt sie für ihn auch ab. Seit 20 Jahren fährt Roger jeden Morgen als Kohlengrubenarbeiter ins Bergwerk ein: noch boomt dieses Revier.

Und einen Postboten auf dem Fahrrad gibt es selbstverständlich auch. Schade ist, dass man die Menschen nicht sprechen hört. Und dann kommen wieder die neuen und modernen Hochhäuser ins Bild, dieses Mal in der komplett neu errichteten Hafenstadt Lorient in der Bretagne. Die Stadt war im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen komplett zerstört worden. Damals waren diese Hochhäuser noch sehr beliebt und wurden geliebt von den Bewohnern. Nach „typisch Frankreich“ sahen diese neuen Gebäudekomplexe nicht mehr aus, aber „Charme schlägt Hygiene“ galt schon lange nicht mehr, man will es jetzt bequem und sauber haben.

Wenn man mit dem heutigen Wissensstand jedoch genau hinschaut, kann man die Unkrautfelder vor diesen Wohnanlagen auch als Vorboten kommender Tristesse interpretieren. Der Bauer in der Bretagne geht am Sonntag nach der Kirche in die Kneipe und trifft dort die anderen Bauern. Der Bergarbeiter geht am Sonntagnachmittag mit seinem Freund zum Fußball. Einigermaßen zufrieden wirken sie beide.

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