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Freitag, 07.05.2021

20:15 bis 20:25 Uhr

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Bildquelle: BR

alpha-retro: Die Welt der Pilger alpha-retro: 1961 - Bäuerlicher Bittgang in der Holledau

Das Beten, das Bier und der Hopfenpreis

Bittgänge zu Wallfahrtskirchen von einigen Stunden Dauer waren früher in Bayern auf dem Land sehr weit verbreitet. 1961 begleitete Georg Lohmeier einen solchen Bittgang von Nandlstadt in eine Wallfahrtskirche. Nach dem Bittgang geht es in Wirtshaus und Lohmeier fängt dort interessante Gespräche mit den Bauern an: über den Glauben, das Wallfahrten heutzutag und vor allem über den Hopfenpreis und darüber, dass die Holledauer Bauern alle gar nicht so reich sind, wie man im übrigen Bayern meint.

Mitwirkende

 
Redaktion Martin Posselt
1961 begleitete Georg Lohmeier an Christi Himmelfahrt den zweistündigen Bittgang von Nandlstadt in der Holledau zur Wallfahrtskirche St. Alban im benachbarten Hörgertshausen. Da das Ganze mit Originalton gedreht wurde, hört man beim Vorüberziehen der Prozession wunderbar die unterschiedlichen Stimmenlagen der Betenden: zuerst die Kinder, dann die Mädchen und die Burschen, dann die verheirateten Männer, hintendrein die verheirateten Frauen und ganz zuletzt die alten Frauen, die kaum das Tempo halten können. An sich wäre das alles nicht gar so interessant, wenn der Georg Lohmeier nicht schon nach gut zwei Minuten Film einen harten Schnitt machen würde: Sieht man in dem einen Moment noch die Bauern brav und andächtig nebeneinander in der Kirchenbank sitzen und beten, sitzen sie den Bruchteil einer Sekunde später im Wirtshaus vor ihrem Bier mitsamt ihren Hüten auf dem Kopf. Und dort fängt der Lohmeier mit ihnen ein Gespräch an: über den Glauben, das Wallfahrten heutzutag und vor allem über den Hopfenpreis und darüber, dass die Holledauer Bauern alle gar nicht so reich sind, wie man im übrigen Bayern meint. Beten für einen höheren Hopfenpreis, das ist für diese Bauern ganz selbstverständlich. Und ganz selbstverständlich ist ihnen auch die Vorstellung einer von Männern dominierten Welt. Am Ende, wenn die Bittgänger wieder zurückgehen nach Nandlstadt, lässt Lohmeier aus dem Off in einem herrlichen Dreigesang das Lied vom heiligen St. Kastulus erklingen, das vom Schimmel-Stehlen handelt: „O heiliger Sankt Kastulus und unsre liabe Frau, / ees werds uns woi no kena, san von da Holledau… / San fertn unsa neine gwen, und heia grod no drei. / De andan san beim Schimmestäin, Maria, steh ea bei!.“ („Oh heiliger… Ihr werdet uns wohl noch kennen, wir sind die aus der Holledau. Letztes Jahr waren wir zu neunt, in diesem Jahr sind wir zu dritt, denn die anderen sind beim Schimmelstehlen, Maria, steh ihnen bei!“) Wobei es nicht ganz uninteressant ist zu wissen, dass der heilige St. Kastulus die Gläubigen eigentlich vor Pferdedieben schützen soll.

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