BR-KLASSIK

Inhalt

Sonntag, 10.07.2022

19:15 bis 19:30 Uhr

ARD alpha

zur Übersicht

Bildquelle: BR/SWR

Schätze der Welt - Erbe der Menschheit

Humberstone - Eine Stadt auf Zeit (Chile)

Die besten Dokumentationen und Reportagen aus dem Programm von ARD-alpha online in der ARD Mediathek. Interessante Dokumentationen als Stream zu den Themen Geschichte, Gesellschaft und Wissenschaft. Die Welt verstehen - mit alpha-doku.

Mitwirkende

 
Redaktion Gábor Toldy
Ein unwirklicher Ort, eine Wüstenstadt. Eine Geisterstadt, seit über vier Jahrzehnten verlassen: Humberstone. Das Besondere: Hier gibt es nichts Besonderes. Die Archäologen werden keine Jahrtausende alten Fundamente entdecken, die Kunstgeschichtler keine romanischen Gewölbe, keine gotischen Kathedrale und auch kein Renaissanceschloß. Und doch übt der Ort einen besonderen Reiz aus, und jeder Besucher wird zum Archäologen und Spurensucher der Kulturgeschichte.

Vor einem halben Jahrhundert lebten in Humberstone 3700 Menschen. Sie waren hierher in die Pampa gezogen, - nicht der schönen Landschaft wegen, die der chilenische Dichter Pablo Neruda besang: „Komm mit zu der Reise durch die Wüste, zu der lufthohen Nacht der Pampa…“- sondern weil sich hier Geld verdienen ließ, als Pampino, als Arbeiter der Salpetermine Santigao Humberstone. Sie lebten, von der Außenwelt weitgehend isoliert, in dieser Siedlung aus ebenerdigen, weiß-gekalkten Reihenhäusern, fast wie in einem Ghetto, das eine normale Stadt nachahmte. Humberstone bestand aus Wohnhäusern, hatte Läden, eine Schule und eine Kirche, ein Krankenhaus, besaß sogar ein Theater.

Und wie in einer richtigen Stadt gab es bessere und weniger gute Wohngegenden, der soziale Status entschied über Lage und Ausstattung der Wohnung. Es gab Häuser für Angestellte, und solche für Arbeiter, Gassen, in denen nur unverheiratete Arbeiter lebten durften, getrennt von den Strassen für Arbeiter mit Familie. Heute lassen die leeren, vom Zahn der Zeit und von Erdbeben beschädigten Häuser lassen kaum Unterschiede erkennen, und ein ganzen Viertel ist dem Wüstenboden gleich gemacht.

Wer aus der blendenden Sonne in eines der niedrigen Häuser tritt, steht in leeren Räumen. Die Wände, meist grünlichblau oder ockerfarbenen gestrichen, der abblätternde Putz mit magisch wirkenden Zeichen übersät, Kritzeleien, und Botschaften gegen das Vergessen. Besonders im Krankenhaus erzählen Graffiti Familiengeschichten: "Hier wurde meine Mutter geboren", oder fünf, sechs, sieben Namen, Kinder einer Familie die hier zur Welt kamen, hier aufwuchsen, zur Schule gingen, sich verliebten…

    AV-Player