Die 2. Symphonie „The Age of Anxiety“ zeigt einen etwas ungewohnten Leonard Bernstein. Im Gegensatz zu seinen bekanntesten Werken wie West Side Story oder Candide, die sehr rhythmisch, locker, auch vom Jazz inspiriert sind und mitunter viel Humor enthalten, ist dieses Werk düster. Hier begegnen wir dem erst 30-jährigen Intellektuellen Bernstein, dem Grübler, dem Zweifler, dem Sinnsuchenden, der dieser Jahrhundertmusiker Zeit seines Lebens (auch) war.
Diese Symphonie basiert auf dem Versepos „The Age of Anxiety“ von Wyston Hugh Auden, das 1946 erschienen ist. In diesem „Zeitalter der Angst“ geht es, grob zusammengefasst um eine Frau und drei Männer, die an einem Allerseelentag während des 2. Weltkriegs in einer Bar zusammenkommen. Sie sind geplagt von Lebensängsten, Pessimismus, traumatischen Erlebnissen und reflektieren in einer Nacht, verbunden mit reichlich Alkohol, diese existenzielle Krise während des Krieges.
Bernstein war begeistert von diesem Buch, er verschlang es und der Stoff ließ ihn nicht mehr los. Drei Punkte haben ihn besonders fasziniert, da sie stark auf sein persönliches Leben zutrafen: die jüdische geprägte Glaubenssuche, das Milieu und die Atmosphäre des nächtlichen Manhattan sowie Audens virtuose Sprache!
Für eine Komposition erkannte Bernstein die theatralische Qualität der Verse. Trotzdem wollte er keinesfalls eine bloße Vertonung des Texts herstellen, sondern eine eigene, von der Sprache inspirierte Version schaffen.
Bernstein identifizierte sich so stark mit „The Age of Anxiety“, dass er selbst aktiv als Person an der Handlung teilnehmen wollte. Das Soloklavier ist also wie ein eigener Protagonist zu verstehen, oder sogar als Leonard Bernstein, der in der Symphonie auftaucht, sich äußert, mit nachdenkt. In der Uraufführung 1949 in Boston hat Bernstein selbst den Klavierpart übernommen.
Im Juni 2018 spielte der russische Pianist Kirill Gerstein den Solopart und gab damit sein Debüt beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Sir Antonio Pappano dirigiert in der Philharmonie im Gasteig.