Es ist ein hochemotionales Heimspiel für Mariss Jansons: In Riga wurde er 1943 geboren, schon als Dreijähriger lauschte er seinem Vater Arvīds Jansons im dortigen Opernhaus - und fasste den kecken Entschluss, ebenfalls Dirigent zu werden. Genau zwei Wochen vor dem historischen Gastspiel mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks jährte sich der Geburtstag von Jansons' Vater zum 100. Mal - Arvīds Jansons hatte bei Leo Blech am Konservatorium von Riga Dirigieren studiert und leitete die Lettische Nationaloper von 1944 bis 1952. Der klassizistische weiße Prachtbau mit seinem antikischen Säulenportikus stammt aus dem 19. Jahrhundert und wurde erst um die Jahrtausendwende aufwändig restauriert. Zum Gedenken an seinen Vater, der vor dreißig Jahren in Manchester am Pult des Hallé Orchestra tot zusammenbrach, dirigiert Jansons ein so brisantes wie aufwühlendes Programm: zwei Meilensteine der Symphonik aus den USA und der ehemaligen Sowjetunion. 1893 komponierte Antonín Dvorák während seines ruhmreichen New Yorker Aufenthalts seine Neunte Symphonie "Aus der Neuen Welt" - und schrieb sich damit letztlich seine Sehnsucht nach der böhmischen Heimat von der Seele. Die gewaltige Fünfte Symphonie war 1937 Schostakowitschs listige Antwort auf die lebensbedrohlichen Attacken der stalinistischen Kulturbürokratie - nach außen hin angepasst, aber unterschwellig voll bitteren Humors, voller Schmerz und Trauer. Den aufgesetzten Schluss-Jubel kommentierte Schostakowitsch später lakonisch: "Das ist doch keine Apotheose. Man muss schon ein kompletter Trottel sein, um das nicht zu hören." BR-KLASSIK überträgt das spektakuläre Konzert live aus Riga.
(Fridemann Leipold)