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Im Thema der Woche geht es dieser Tage um Rio de Janeiro, um die magische brasilianische Küstenmetropole, die sich längst zu einer der faszinierendsten Megastädte des Erdballs ausgewachsen hat. "Gott hat die Welt in sieben Tagen geschaffen, den siebenten widmete er der Entstehung von Rio." So sagen die Cariocas, die Einwohner von Rio. Welche Einwohner? Die Super-Reichen, die ein Luxusapartment in den noblen Stadteilen Copacabana und Ipanema an den gleichnamigen mondänen Badestränden bewohnen? Oder jene Armen und Elenden, die unter katastrophalen Bedingungen in den Favelas, in den schmutzigen und stinkenden Slums an den Hügelhängen der Stadt hausen? Oder auch jene, die Opfer der zahllosen Gewalttaten wurden, die in jüngerer Zeit Rios Ruf ruinieren? Im ersten Halbjahr 2017 soll es im Stadtgebiet rund 2600 Schießereien mit 800 Toten und noch mehr Verletzten gegeben haben, wobei die Aufklärungsrate der Morde lediglich bei 1% lag. Rio de Janeiro - ein Ort der Schönheit und des Schreckens. Unter diesem Motto präsentieren wir Ihnen im Thema der Woche der Mittagsmusik 5 Mal 2 Musikstücke, die von Rio und seiner Faszination, von seinen Stimmungen und Ansichten inspiriert sind.
Copacabana bei Tag…
Am Mittwoch haben wir als erstes Musik auf dem Programm, die all jene Schattenseiten nicht kennt. Charles Kálmán hat sie komponiert, der Sohn des Operetten-Großmeisters Emmerich Kálmán. 1929 wurde Charles in Wien geboren, 2015 ist er in München gestorben. In Frankreich und in den USA erhielt er seine Ausbildung, am Pariser Conservatoire und an der Columbia University. Sein Schaffen zeigt eine weit größere Vielfalt als das seines Vaters. Charles komponierte nicht nur Operetten, sondern auch Musicals, zudem Musik für den Film (z.B. den Soundtrack der Kästner-Verfilmung "Fabian" ) und für das Fernsehen (z.B. die Musik zu "Kir Royal"). Darüber hinaus schrieb er Songs fürs Kabarett und Chansons für Margot Werner, Harald Juhnke und Ute Lemper. Auch als Komponist von rein instrumentaler Musik für den Konzertsaal und für das Radio hat sich Charles Kálmán profiliert. Die "Times Square Fantasie" zählt zu diesen Instrumentalwerken, die "Honeymoon Suite" und die "Globe Trotter Suite". Aus dieser stammt unsere erste Rio-Musik am Mittwoch. "Brasilien. Copacabana" ist sie betitelt, und sie ist ein typisches Beispiel für die semi-symphonische, gehobene Unterhaltungsmusik der Nachkriegsjahrzehnte. Nach Rio trägt uns diese Musik durch ihren notorischen Samba-Rhythmus und die spezifische Orchestrierung, die mit den aparten Harmonien der dreifach geteilten Streicher eine fernwehtrunkene exotische Atmosphäre herbeizaubert.
...und bei Nacht
Auch unser zweites Stück am Mittwoch führt uns an die Praia de Copacabana, an den vielleicht schönsten Stadtstrand der Welt. Das Stück stammt von Ottorino Respighi, den prominentesten Vertreter der neueren italienischen Musik "puramente strumentale", der rein instrumentalen Musik jenseits der Oper. 1927 und 1928 bereiste Respighi zweimal Brasilien. Seinen Eindrücken verlieh er in den farbenglühenden "Impressioni Brasiliane" (Brasilianische Impressionen) Ausdruck, einem Werk, dem man bei uns im Gegensatz zu den vielgespielten Symphonischen Dichtungen "Fontane di Roma" und "Pini di Roma" nur selten im Konzertsaal, Radio oder auf CD begegnet. Der letzte der drei Sätze der "Impressioni Brasiliane" führt nach Rio de Janeiro. "Canzone e Danza" (Lied und Tanz) ist dieses Finale überschrieben, und Respighi holt die Samba-Rhythmen und -Melodien herbei, die er am Strand und in den Straßen von Copacabana hörte. Am Schluss verklingen die Tänze in der Nacht, und die Musik endet unspektakulär mit einem Harfenglissando und hingetupften Streicherpizzicato. "Boa Noite", sagen vor dem Schlafengehen die Cariocas - und mit ihnen Ottorino Respighi.