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In den tropischen Süden, nach Rio de Janeiro, in die brasilianische Küstenmetropole am Südatlantik, führt uns das Thema der Woche in der Mittagsmusik dieser Tage. "Cidade maravilhosa", "die wundervolle Stadt", wird Rio nach wie vor genannt, auch wenn Morde, Raubüberfälle, Entführungen und Drogendelikte im Stadtgebiet und in der Metropolregion mit ihren über 11 Millionen Einwohnern schockierende Ausmaße in den letzten Jahren angenommen haben. "Rio de Janeiro - Schönheit und Schrecken" lautet dementsprechend unser Thema der Woche. Was die Schönheit betrifft, so ist Rio tatsächlich schön in einer Fülle und Vielfalt, die sich kaum angemessen verbal beschreiben lässt. Doch, wie schon der Dichter sagt, gilt: "Wo die Worte aufhören, da beginnt die Musik", und so präsentieren wir Ihnen in der Mittagsmusik jeden Tag zwei Musikstücke, die Stimmungen und Ansichten Rios in Tönen beschwören.
Samba mit "Cugi"
Am Donnerstag ist zunächst Samba-Zeit - Zeit für den brasilianischen Nationaltanz schlechthin. In Rio de Janeiro ist er zu Hause, und vor allem mit dieser Stadt wird er auch assoziiert - zumal durch die vielen Samba-Schulen und als Tanzmusik des Karnevals, der in Rio bekanntlich der längste und verrückteste der Welt ist. Afrikanisches und Brasilianisches kommen in der Samba zu einer aufregenden afro-brasilianischen Mixtur zusammen und verbinden sich in der konsolidierten, standardisierten Form zu einem Paartanz im lebhaften 2/4-Takt mit charakteristisch synkopierten Rhythmen. Der internationale Siegeszug der Samba begann 1939.in New York, von wo sie auch bald Hollywood eroberte und durch die Filme der exzentrischen Sängerin und Tänzerin Carmen Miranda einen immensen Beliebtheitsschub erfuhr. Eine große Galionsfigur unter den Samba-Komponisten war Ary Barroso, der 1964 im Alter von einundsechzig Jahren in Rio starb. In den 1940er und 1950er Jahren war er einer der populärsten brasilianischen Komponisten und Sänger, dazu auch Jurist und Sportreporter. Hunderte von Sambas hat er geschrieben, viele speziell für jene Carmen Miranda. 1939 entstand sein bekanntester Titel: "Aquarela do Brasil". Mit dem einprägsamen Vamp, über dem sich ein unvergesslicher "Ohrwurm" von Melodie erhebt, ist das Stück wohl die berühmteste Samba aller Zeiten und erschien unter dem englischen Kurztitel "Brazil" in zigfachen Adaptionen und Bearbeitungen aller Art. Wir präsentieren Ihnen "Aquarela do Brasil" in einer frühen Aufnahme aus dem Jahr 1941 durch das Orchester von Xavier "Cugi" Cugat, einem Geiger und Bandleader, der in Barcelona geboren wurde, in Kuba aufwuchs und dann ab den 1920er Jahren in den USA große Karriere machte, wobei er mit seiner Band zur Popularisierung der aktuellen lateinamerikanischen Modetänze beitrug.
Oper aus Rio
Ein Kontrastprogramm liefert unser zweites Themenstück am Donnerstag. Wir gehen zurück ins 19. Jahrhundert, in dem Brasilien 1822 seine Unabhängigkeit von Portugal erlangte, und in dem bereits sieben Jahre zuvor, Anno 1813, in Rio de Janeiro das erste Opernhaus eröffnet wurde: Das Real Teatro de São João, das in der Folge für einige Zeit zum musikalischen Mittelpunkt des gesamten Kontinents avancierte. Das war der fruchtbare Boden, auf dem eine eigene brasilianische Musikkultur erwuchs. Zu ihren frühen führenden Köpfen zählt Antônio Carlos Gomes, geboren 1836 in Campinas, gestorben 1896 in Belem. aber ausgebildet am Konservatorium in Rio de Janeiro - ein temporärer Wahl-Carioca. Gomes ist wohl der größte brasilianische Komponist der Romantik und vor den "Modernen" Heitor Villa-Lobos, Camargo Mozart Guarnieri und Antônio Carlos Jobim der bedeutendste Komponist Brasiliens überhaupt. Einen triumphalen Erfolg erzielte Gomes mit seiner 1870 an der Mailänder Scala uraufgeführten Oper "Il Guarany". Ihr Libretto basiert auf dem Historischen Roman "O Guarany" von José de Alencar , einem Schriftsteller, der - wie Gomes in seinem Metier - zu den wichtigsten Vertretern der Romantik in Brasilien zählt. Im Zentrum der Opernhandlung steht der junge Eingeborene Peri, der hin- und hergerissen ist zwischen der Loyalität zu seinen Stammesbrüdern und der Freundschaft und Liebe zu Ceci (Cecilia), der Tochter einer adeligen portugiesischen Einwandererfamilie. Die Ouvertüre führt in das turbulente Bühnengeschehen aus Liebe und Hass, Freundschaft, Intrige und Kampf mit sicherem musikdramatischem Instinkt ein: Auftrumpfende Blechbläser-Choräle von großem Pathos, Belcanto-Beschwörungen, unter massivem Schlagzeug-Einsatz, mit Piccolo und mit "schwerem Blech" hochgepeitschten Tutti-Eruptionen - all dies lässt vielfach an die Opern Giuseppe Verdis denken. Der bewunderte seinen Kollegen aus Brasilien und bekannte - man lese und staune: "Questo giovane comincia dove finisco io!" (Dieser Junge beginnt da, wo ich aufgehört habe!)