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Rio de Janeiro - die brasilianische Weltmetropole mit den zwei Gesichtern war das Thema der Woche in der Mittagsmusik dieser Tage. Das eine Gesicht lächelt uns als "Cidade maravilhosa" voller unsagbarer Schönheit und Anmut entgegen, das andere zeigt uns eine Fratze der Gewalt, der Armut und des Elends. Rio ist Paradies und Hölle zugleich, es hat Schönheit und Schrecken. Jeden Tag haben wir Ihnen jeweils zwei Musikstücke, inspiriert von Rio, präsentiert, und in manchen dieser Paarungen kam wohl auch die Doppelgesichtigkeit der Stadt zum Ausdruck. Zum Abschluss stehen aber die Zeichen definitiv auf Versöhnung…
Corcovado - Ein Ort der Schönheit
Am Montag haben wir mit Musik von Antônio Carlos Jobim und Darius Milhaud unser kleines tönendes Panorama von Rio de Janeiro geöffnet, und am Freitag schließen wir es auch wieder mit dieser Paarung - nur in umgekehrter Reihenfolge. "Saudades do Brasil" - so heißt bekanntlich jene Suite, die Milhaud 1920 im sehnsüchtigen Rückblick auf seine Jahre als Kulturattaché in Rio komponierte und ein Jahr später für großes Orchester setzte. Die Tanzsuite ist - wie wir bereits wissen - eine nostalgische Hommage an Rio, trägt doch jeder ihrer zwölf Sätze den Namen eines Stadtteiles der Metropole. Den mit "Ipanema" überschriebenen grimmigen Satz haben wir am Montag als Gegenstück zu Jobims lasziver Bossa Nova über die coole Strandschönheit "The Girl from Ipanema" bereits kennengelernt. Am Freitag steht ein freundliches, charmant bitonales Stück in G-Dur und D-Dur auf dem Programm. Es heißt "Corcovado", benannt nach der aus üppig-grünen Parkanlagen und Bergwäldern riesenhaft herausragenden Erhebung in der sogenannten "Südzone" Rios. Seit Anfang der 1930er Jahre steht auf dem Corcovado die majestätische Christusstatue mit den weit ausgebreiteten Armen - das andere, weltberühmte Wahrzeichen Rios neben dem Zuckerhut. Vom Corcovado aus bietet sich dem Betrachter der wohl erhabenste Panoramablick über Rio de Janeiro, und Milhaud holt diesen Blick gleichsam herbei in seiner Musik, die freilich erst in der Orchesterfassung ihren weltstädtische Glanz zu entfalten vermag.
...und der himmlischen Ruhe
Das zweite Stück am Freitag ist ebenfalls ganz lapidar "Corcovado" überschrieben. Es ist eine weitere Bossa Nova von Antônio Carlos Jobim, die 1963 in der gleichen Besetzung wie "The Girl from Ipanema" zum ersten Mal eingespielt wurde: Stan Getz am Saxophon, Jobim am Klavier und eine kleine Combo begleiten João und Astrud Gilberto, die abwechselnd auf Portugiesisch und auf Englisch singen. Astrud beginnt auf Englisch mit Worten, die Ansicht und Stimmung einer ruhigen, sternenfunkelnden Nacht über Rio beschreiben: "Quiet nights of quiet stars… quiet thoughts and quiet dreams… and a window that looks out to Corcovado - oh, how lovely!" Sehr wahr, sehr wahr,bleibt hinzuzufügen.