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Manuel de Fallas Unterscheidung zwischen einem Komponieren "auf spanische Art" und einem Komponieren "in Spanisch" liefert den Titel für unser Thema der Woche in der Mittagsmusik dieser Tage: "À l'espagnole?" - "En espagnol!" Komponieren auf die wahre spanische Art. De Falla, der größte aller spanischen Komponisten, meinte mit seiner Differenzierung einerseits die von Spanien und seiner Folklore inspirierten Werke ausländischer Komponisten wie Glinka, Bizet oder Chabrier, andererseits die Musik der jungen spanischen Komponisten seiner Generation, deren Werke auf einer profunden Kenntnis und innigen Vertrautheit mit den Traditionsbeständen der Kunstmusik und Folklore Spaniens beruhen. Das einfache Komponieren "auf spanische Art" impliziert dabei etwas Imitiertes, Nachgemachtes, Unechtes, während das verfeinerte Komponieren "in Spanisch" den Rang des Echten und Unverfälschten, des Wahren und Authentischen beanspruchen kann. Indes sollte man sich vor Wertungen hüten: Beide kompositorische Ansätze können musikalische Meisterwerke zu Tage fördern, die sich lediglich durch Eines unterscheiden: Die einen sprechen gewissermaßen Spanisch mit ausländischem Akzent, die anderen artikulieren sich in der akzentfreien Sprache des in Spanien Geborenen und Aufgewachsenen.
"España"
Nach den Opernausschnitten am Montag stellen wir am Dienstag auf unserem Streifzug durch jene von Spanien inspirierte Kunstmusik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts zwei Meisterwerke der effektvoll-virtuosen Orchestermusik gegenüber. die "España"-Rhapsodie von Alexis Emmanuel Chabrier und das "Feria"-Finale aus der "Rapsodie espagnole" von Maurice Ravel. Als das zweite Schlüsselwerk der frühen französischen Spanien-Begeisterung verkörpert Chabriers Orchesterstück gewissermaßen das rein instrumentale Pendant zu Bizets Oper "Carmen". Das thematische "Basismaterial" der Komposition liefern zwei Tanztypen: Die "Malagueña" (ein lebhaftes Tanzlied aus Malaga, im Dreiertakt und mit einem ostinaten Harmoniegerüst) und die "Jota" (ein schneller Volkstanz aus Aragon, der sich ebenfalls im Dreiertakt bewegt und vielfach zu virtuosem Kastagnettenspiel ausgeführt wird). Bei Chabrier gehören der "Malagueña"-Sphäre die rhythmisch pronocierten Passagen an (z.B. zu Beginn), während das schwungvolle Seitenthema die Jota beschwört. Dabei kommt es immer wieder zu rhythmischen Finessen, so etwa wenn sich die Melodie im 3/8-Takt bewegt und die Begleitung dazu einen 2/8-Takt beschreibt. Das alles verbindet sich zu einem perfekten tönenden Abbild des Spaniens, wie es die Franzosen des 19. Jahrhunderts sahen - und darüber hinaus zu einem musikalischen Inbegriff iberisch-mediterran inspirierter Lebensfreude aller Zeiten.
"Feria" aus der Rapsodie espagnole
Maurice Ravel gilt als französischer Komponist. Sein Vater stammte indes aus Savoyen, und seine Mutter war eine Spanierin aus dem Baskenland. Im französischen Teil dieses Gebietes wurde Ravel geboren: In dem Dorf Ciboure, nur wenige Kilometer von der spanischen Grenze entfernt, direkt gegenüber dem Badeort Saint-Jean-de-Luz, wo er später ungezählte Urlaubswochen verbrachte. Seiner spanischen Herkunft fühlte sich Ravel zeitlebens verpflichtet. Und in seiner Musik hat er das Land jenseits der Pyrenäen immer wieder beschworen, nicht nur im "Bolero", seinem berühmtesten Stück überhaupt, sondern auch in vielen anderen Werken. Die Rapsodie espagnole (im Französischen wird "Rapsodie" ohne "h" geschrieben) ist ein hyper-virtuoses und super-effektvolles Orchesterwerk, das an alle Ausführenden höchste Ansprüche stellt. Es fasst dabei gewissermaßen die notorische Spanien-Begeisterung der Franzosen im 19. und frühen 20. Jahrhundert in sich zusammen und zieht sozusagen die Summe aus all jenen glorreichen, durch Spanien inspirierten französischen Opern und Orchesterwerken - aus Bizets "Carmen" und Massenets "Le Cid", aus Lalos Symphonie espagnole und Chabriers "España". Ravels Rhapsodie entstand 1907 und besteht aus vier Sätzen. Alles kulminiert im vierten Satz, dem rauschenden Finale - der Beschwörung einer spanischen Fiesta oder Feria. Nicht zuletzt an dieses Finale dachte wohl Manuel de Falla, als er Ravels Rapsodie espagnole eine "authentische spanische Qualität" zuerkannte. Ravel - halb Franzose, halb Spanier - beherrschte das Komponieren "en espagnol" in aller Meisterschaft.