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Musikalische Chinoiserien
Wenn westliche Komponisten chinesisch schreiben
Chinoiserien sind in der europäischen Kunst seit dem 18. Jahrhundert Arbeiten im chinesischen Stil: Zeichnungen und Malereien in klein und in groß wie manche Fresken von Tiepolo. Auch architektonische Kleinodien wie das Chinesische Teehaus im Park Sanssouci von Potsdam gehören dazu sowie kunstgewerbliche Miniaturen aller Art. Und auch in der abendländischen Musik kennt man die Chinoiserie, zumal im Zuge des Exotismus-Fiebers, der Begeisterung für alles Fremde und Ferne am Fin de Siècle des 19. Jahrhunderts und in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts. Unter dem Motto "Musikalische Chinoiserien - Wenn westliche Komponisten chinesisch schreiben" präsentierten wir Ihnen im Thema der Woche der Mittagsmusik aus dem Studio Franken Anfang Oktober jeden Tag eine dieser Werke im chinesischen Stil.
Von der Jugend
Den Anfang am Montag macht Gustav Mahler. Auch der große deutsch-österreichisch-böhmische Weltanschauungssymphoniker der Spätromantik schrieb ein Werk, das sich in die allgemeine Begeisterung für das Fernöstliche um 1900 einfügt. Es ist "Das Lied von der Erde", eine Symphonie für zwei Gesangsstimmen und Orchester, vollendet 1908, kurz bevor Mahler mit der Arbeit an seiner letzten vollendeten Symphonie, der Neunten, begann. Das "Lied von der Erde" ist also ein Spätwerk des Komponisten. Es besteht aus sechs Orchesterliedern (oder Orchestergesängen) nach Gedichten aus der 1907 erschienenen Sammlung "Die chinesische Flöte" - einer Anthologie, die überwiegend altchinesische Lyrik in freier Nachdichtung durch Hans Bethge enthält. Die Gedichte handeln von Jugend und Schönheit, vom Wein, von Einsamkeit und von der Kürze des Lebens. Sechst dieser Gedichte wählte Mahler aus. An der dritten Stelle in der Satzfolge seiner Symphonie steht eine Vertonung, die eine echte kleine musikalische Chinoiserie ist. Von ihrer Form her ist sie ein dreiteiliges Miniatur-Scherzo mit einem Mittelteil in g-Moll und Rahmenteilen, die jene Stilmittel einsetzen, derer sich westliche Komponisten so gerne bedienen, wenn sie chinesisch schreiben: Pentatonik, helle Klangfarben und ein zierlich-flinker Gestus. "Von der Jugend" ist das Lied überschrieben, und es schildert voller Poesie eine idyllische Szene in einem Pavillon. Die ersten Verse des Gedichts malen dabei gleichsam ein pastellfarbenes Miniaturbild aus chinesischen Motiven, wie man sie auch auf der Kanne, den Tassen und Tellern eines chinesischen Tee-Service finden kann:
Mitten in dem kleinem Teiche
steht ein Pavillon aus grünem
und aus weißem Porzellan.
Wie der Rücken eines Tigers
wölbt die Brücke sich aus Jade
zu dem Pavillon hinüber.
In dem Häuschen sitzen Freunde,
schön gekleidet, trinken, plaudern,
manche schreiben Verse nieder…