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Seit dem 18. Jahrhundert sind sie in Europa bekannt und beliebt: die Chinoiserien, die Arbeiten im chinesischen Stil in Malerei, Architektur und Kunstgewerbe. In der Musik kommen die Chinoiserien am Fin de Siècle des 19. Jahrhunderts und in den ersten Dekaden des 20. Jahrhunderts in Mode, im Zuge des Exotismus-Fiebers, der Begeisterung für alles Fremde und Ferne. Komponisten aller musikalischer Genres ergreift diese Begeisterung - die der ernsten Musik wie die der leichten Muse von Operette, Salon- und Unterhaltungsmusik. Unter dem Motto "Musikalische Chinoiserien - Wenn westliche Komponisten chinesisch schreiben" präsentieren wir Ihnen im Thema der Woche der Mittagsmusik jeden Tag eines dieser Werke im chinesischen Stil.
Tambourin chinois
Am Donnerstag haben wir ein Beispiel für eine musikalische Chinoiserie aus der Salon- und Unterhaltungsmusik auf dem Programm. Es stammt von Fritz Kreisler, österreichischer Geiger und Komponist, Sohn einer jüdischen Arztfamilie, geboren 1875 in Wien, gestorben 1962 in New York. Als junger Mann hatte er Komposition noch bei Anton Bruckner in Wien und bei Léo Delibes in Paris studiert. Weltkarriere machte Fritz Kreisler als Geiger, gefeiert wie einst Paganini und Sarasate und zu seiner Zeit wie die Star-Geiger-Kollegen Henri Marteau und Eugène Ysäye. Viel gespielt werden nach wie vor eine ganze Reihe von Kreislers Charakterstücken für Violine und Klavier. Manchmal sind sie poetisch-stimmungsvoll, manchmal musikalisch-pittoresk, manchmal effektvoll-virtuos, immer aber sind sie von unwiderstehlichem Charme. Es sind unsterbliche Klassiker der Salon- und Unterhaltungsmusik, in Arrangements für Violine und Orchester werden sie aber auch gerne in klassischen Konzerten als Encore gegeben. "Liebesleid", "Liebesleid" und "Schön Rosmarin" sind zum Beispiel berühmte Kreisler-Titel, zudem das "Tambourin chinois" veröffentlicht 1910 als op. 3, "eine freie Fantasie in der chinesischen Manier", wie es der Geiger-Komponist selbst bezeichnete. Laut seinen Angaben entstand "Tambourin chinois" nach dem Besuch eines chinesischen Theaters in San Francisco. Der Titel (Chinesische Trommel) spielt auf die "trommelnde" Begleitung im Bass an. Sie besteht aus "leeren" Quinten und Quarten, typisch für außereuropäische Musik. Das Thema in der Violine hat dann die für das Komponieren im chinesischen Stil fast stets obligatorische "Gamme chinois", die Pentatonik, zur Grundlage. Hinzu kommt der für musikalische Chinoiserien beliebte flinke, agile Gestus. Der Mittelteil des Stücks verrät allerdings Kreislers österreichische Herkunft - er ist quasi so, "als wenn man in Wien zum Chinesen geht", wie ein Kritiker schrieb.