Bildquelle: picture-alliance/dpa
Er war nicht gerade hochgewachsen, ein bisschen untersetzt, und schon früh hatte er lichtes Haar, aber er war einer der überragenden Meister, einer der ganz Großen der deutschen Unterhaltungsmusik-Kultur: Werner Müller, ein souveräner Könner gleichermaßen als Komponist und Arrangeur, als Instrumentalist und Orchesterleiter. Das RIAS-Tanzorchester machte er nach dessen Gründung 1948 zu einem der besten Ensembles seiner Art, ab 1967 prägte er beim WDR das Kölner Tanz- und Unterhaltungsorchester, aus dem später die WDR Big Band hervorgehen sollte. Am 28. Dezember wird sich der Todestag von Werner Müller zum 20. Mal jähren. Aus diesem Anlass präsentiert die Mittagsmusik im Thema der Woche unter dem Motto "Swing mit viel String" jeden Tag zwei Highlights von Werner Müllers Repertoire.
Rock 'n' Roll-Randale …
"Swing mit viel String" - auf diese bündige Formel brachte Werner Müller selbst seinen Kompositions- und Arrangierstil, der gewissermaßen den scharfen, satten Bläser-Sound des Big-Band-Jazz auf einen warmen, weichen Streicherteppich legte. Vorbilder dafür fand Werner Müller bei amerikanischen Big Bands der 1940er-Jahre - zum Beispiel bei der von Harry James, dem virtuosen Ex-Trompeter des Orchesters von Benny Goodman. Den bravourösen "Trumpet Blues" von Harry James hat Werner Müller für das RIAS-Tanzorchester und seinen grandiosen Trompeter Macky Kasper arrangiert. Doch hat er sich mit diesem Stück auch kreativ auseinandergesetzt, und zwar mit seiner Eigenkomposition "Trumpet Boogie". Bald nach dem Anfang des Stücks kann man den "Swing mit viel String" hören: Auf die auftrumpfende Eröffnungsfanfare folgt ein Saxophon-Riff, das bei seinem zweiten Durchlauf von jenem warmen, weichen Streichersound unterlegt wird. Der weitere Verlauf von Müllers "Trumpet Boogie" entwickelt sich wie der "Trumpet Blues" von Harry James zu einem Rock 'n' Roll (das Blues-Schema und der Boogie-Woogie-Bass sind ja Grundkomponenten des Rock 'n' Roll). Noch bevor Bill Haley mit "Rock around the Clock" und Elvis Presley mit "Hound Dog" die Teenager ausflippen ließen, versetzte das RIAS-Tanzorchester unter Werner Müller seine Fans mit dem "Trumpet Boogie" und dem "Trumpet Blues" in schiere Ekstase. Bei Gastauftritten des Orchesters in Hannover und anderen westdeutschen Städten musste die Polizei eingreifen und im Saal randalierende Jugendliche ruhigstellen und auf den Straßen sogar Berittene einsetzen, um exaltierte Fans in die Schranken zu weisen.
… und Spanien-Sehnsucht
"Malagueña" hieß Werner Müllers 24 Quadratmeter-Motoryacht. Benannt hat er sie nach einem seiner größten Erfolge - dem gleichnamigen Schlager für Caterina Valente, die damit 1954 einen ihren ersten Welt-Hits landete. Ursprünglich ist die Malagueña ein Tanztypus aus der südspanisch-andalusischen Hafenstadt Malaga. Werner Müller diente aber als Vorlage das 1928 geschriebene Lied "La Malagueña" von Ernesto Lecuona (1895-1963), der bisweilen auch "der kubanische Gershwin" genannt wird. In Werner Müllers ausgefeiltem Arrangement mit den raffinierten Streicherklängen und der kunstvollen Adaption spanischer Klischees gewinnt der alte Schlager ganz neue Qualitäten und Facetten - der Arrangeur wird zum nachschöpferischen Neuschöpfer. Für die Westdeutschen der frühen Wirtschaftswunder-Jahre, die es in ihrer Urlaubszeit zunehmend an die Strände des Mittelmeers zog, war Caterina Valentes und Werner Müllers "Malagueña" freilich in erster Linie ein musikalischer Ausdruck für Fernweh und Spanien-Sehnsucht.
DATUM UND ORT DER AUFNAHMEN
"Trumpet Boogie", 14. Mai 1952, Hotel Esplanade in Berlin
"Malagueña", 13. Juni 1954, Studio Lankwitz (Siemens-Villa) in Berlin