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Zwei epochale Werke, die ihrer Zeit weit voraus waren, stellt Mariss Jansons beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks faszinierend einander gegenüber. Nicht von ungefähr nannte schon Anton Bruckner selbst seine sechste Symphonie launig seine “keckste”. Das Werk ragt durch seine harmonischen Kühnheiten, seine disparaten Formverläufe, seinen unruhigen Duktus und seinen helleren Klang aus dem übrigen OEuvre Bruckners heraus. Bezeichnend auch, dass die Sechste erst nach Bruckners Tod komplett uraufgeführt wurde - von Gustav Mahler 1899 in Wien, in einer stark gekürzten und retuschierten Version. Auf komplettes Unverständnis stieß 1940 bei der Uraufführung in Philadelphia das zwölftönige Violinkonzert von Arnold Schönberg, trotz des heroischen Einsatzes von Leopold Stokowski und dem Geiger Louis Krasner, der kurz zuvor schon des Violinkonzert von Alban Berg aus der Taufe gehoben hatte. Jansons hat durch seine Ausbildung bei Hans Swarowsky, einem Schönberg- und Webern-Schüler, die Zweite Wiener Schule aus erster Hand kennengelernt. Und als Solist gibt damit der 30-jährige Barenboim-Sohn Michael sein Debüt beim Symphonieorchester. Die ungemein komplexe Partitur, für dessen manuelle Bewältigung man nach Schönberg eigentlich eine Griffhand mit sechs Fingern benötige, hat Michael Barenboim allerdings schon mit Pultgrößen wie Pierre Boulez und Zubin Mehta in Chicago und Israel erprobt. Und schließlich enthält Schönbergs Violinkonzert neben wildgezackten Linien und grellen Dissonanzen auch kantable und graziöse Momente
(Fridemann Leipold)