Bildquelle: Bayerische Staatsoper / dpa
Im April 1945 sieht der Komponist Karl Amadeus Hartmann vor seinem Haus Tausende geschwächte und ausgehungerte Häftlinge aus dem KZ Dachau vorbeiziehen, getrieben von schwer bewaffneten SS-Schergen. Er setzt sich ans Klavier und verleiht seiner Erschütterung in Klängen Ausdruck: Es entsteht die Zweite Klaviersonate, ein musikalischer Appel an die Menschlichkeit in grausamen Zeiten - komponiert wenige Tage vor der endgültigen Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945. Der Krieg war vorbei, Millionen Menschen hatten ihr Leben verloren, unzählige Städte auf dem gesamten Kontinent lagen in Trümmern.
Die deutschen Opernhäuser waren seit September 1944 geschlossen, die Sängerinnen und Musiker an der Front oder beim Arbeitsdienst. Unmittelbar nach der Kapitulation führte der Wunsch nach Normalität und Ablenkung zu ersten Bestrebungen, das Musikleben wieder zu beleben. Die einen wollten zu alten Traditionen zurückkehren und blendeten die zwölf Jahre des Nationalsozialismus aus, andere - vor allem die Jugend - spürten Nachholbedarf und hofften, endlich nicht mehr von den Entwicklungen der internationalen Kulturszene abgeschnitten zu sein.
Zum 75. Jahrestag der Kapitulation beleuchtet Wolfgang Schicker schlaglichtartig das aufkeimende Musikleben und seine Akteure, von den Künstlern bis hin zu den Vertretern der Siegermächte.