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Bräuchte Beethovens Musik eine Visitenkarte, ein Markenzeichen, ein Branding, wäre seine Klaviersonate op.13 (neben seiner Fünften Symphonie) mit Sicherheit eine exzellente Wahl. Prototypisch äußert sich in diesem c-Moll-Kosmos das "Ich" des Komponisten, das sich aufbäumt und zugleich tief empfindsam ist. In knapp 20 Minuten erlebt man Beethoven in Reinkultur: hart und zart, und doch mehr als Muskelspiele eines Halbstarken. Extreme Gegensätze markieren von den ersten Takten an die Pole dieses formal kompakten Werkes, das den vom Komponisten persönlich ausgedachten Titel "Pathétique" trägt und somit automatisch in einem Bedeutungsumfeld fixiert ist. Doch hatte kurz vor 1800 der Begriff des "Pathos" eine heroisch-noble Note, werten wir ihn heute kritisch als Ausdruck des Zu-sehr-gewollten ab. Welches Verständnis oder Missverständnis ergibt sich daraus für heutige Interpretationen? Wie viel Spielraum lässt Beethovens Klaviersonate op.13 dem Gestaltgungswillen der Interpreten? Und wo verläuft die Grenze von hinreißend über mitreißend zu reißerisch? Muss man das Werk erst vom Pathos des Prototypen befreien? In der Reihe "Interpretation im Vergleich" sucht Julia Schölzel nach Zwischentönen in Aufnahmen unter anderem von Ronald Brautigam, Glenn Gould, Maria João Pires, Angela Hewitt, Wilhelm Backhaus und Daniel Barenboim.