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Macht der Körper mit und ist die Phantasie blühend und voller kreativer Kraft, dann kann man es bis zum letzten Atemzug betreiben - das Erfinden und Aufschreiben von Musik. Mit anderen Worten: Komponieren ist eine Profession, die keine Altersgrenze kennt. Unter der Überschrift "Alter schützt vor Tonkunst nicht - Komponisten mit einem langen Leben" stellen wir Ihnen in der Mittagsmusik im Thema der Woche jeden Tag einen alten Herren vor, der es bis zuletzt nicht lassen konnte, Musik zu schaffen.
François-Joseph Gossec - der "Methusalem" der Klassik
Der erste in unserer Galerie von Komponisten mit einem langen Leben gehört musikgeschichtlich der Früh- und Hochklassik an. Er heißt François-Joseph Gossec. 1734 wurde er geboren, 1829 ist er gestorben. 95 wurde er also und war damit wohl der älteste Komponist seiner Zeit - älter als Joseph Haydn und Antonio Salieri, als diese hochbetagt die Welt verließen: François-Joseph Gossec war gewissermaßen der "Methusalem" der Klassik. Obwohl er seiner Herkunft nach Belgier war, wird er der französischen Musikgeschichte zugerechnet. Denn bereits als Teenager kam er nach Paris, wurde Protegé Rameaus und avancierte in den 1770er Jahren als Konzertveranstalter - zumal als Intendant der "Concerts spirituels" - zum Tycoon des Pariser Konzertlebens. Als Komponist profilierte sich Gossec in der von Oper und Ballett dominierten französischen Musikkultur seiner Zeit vor allem mit symphonischen Orchesterwerken. Mehr als sechzig Symphonien hat er geschrieben. Die frühen waren von Einfluss auf Carl Stamitz, Joseph Haydn und Mozart, der mit Gossec persönliche Bekanntschaft schloss und ihn als "einen guten Freund und sehr trocknen Mann" beschrieb. Später wurde Gossec neben Méhul und Cherubini zur Galionsfigur der französischen Revolutionsmusik, die von kaum überschätzendem Einfluss auf Beethovens Heroischen Stil war. Gossecs "Marche lugubre" von 1790 gilt als ein Vorbild für den Trauermarsch der "Eroica".
Symphonik mit 75
Den Höhe- und Schlusspunkt von Gossecs symphonischem Schaffen markiert seine "Symphonie à dix-sept Parties", die Symphonie zu siebzehn Stimmen in F-Dur. Gossec komponierte sie 1809 - als 75-Jähriger - und schuf damit die wohl bedeutendste französische Symphonie vor der über zwei Jahrzehnte später entstandenen epochemachenden "Symphonie fantastique" von Hector Berlioz. Gossecs späte F-Dur-Symphonie ist ein großes viersätziges Werk von fast einer halben Stunde Aufführungsdauer. Der erste Satz kündet mit seinen Fanfaren vom Heroismus des napoleonischen Zeitalters, der langsame Satz ist eine Hommage an Haydn und Mozart, der dritte Satz (ein fugiertes Menuett!) eine Reverenz vor Beethoven. Das Allegro-molto-Finale beginnt ganz unschuldig, fast harmlos, schießt dann aber plötzlich los wie eine Rakete. Gossec zieht alle Register seiner Kunst und offenbart seinen souveränen Orchesterstil: Holzbläser-eloquent, Trompeten-glänzend, Pauken-schlagkräftig. Dazwischen blitzt der "Carillon national" der Revolution "Ah! Ça ira" auf. Das Ganze ist temporeich arrangiert - Gossec, ein musikalischer "Turbo-Opa".