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Das Ländliche, das Dörfliche, das Bäuerische, mit einem Wort das Rustikale - in der Musik wurde und wird es vielfach beschworen, herbeigeholt, abgebildet. Ausgelassen oder behaglich, fast immer aber bodenständig und folkloristisch geben sich diese musikalischen Landpartien. Im Thema der Woche der Mittagsmusik präsentieren wir Ihnen jeden Tag Beispiele für Musik "alla Rustica" - von Komponisten aus der Barockzeit bis zur Moderne des 20. Jahrhunderts.
Hugo Distler und Aaron Copland "alla Rustica"
Die beiden Komponisten, mit denen es am Donnerstag aufs Land geht, könnten auf den ersten Blick nicht gegensätzlicher sein. Der eine, Hugo Distler, wurde 1908 in Nürnberg geboren, war evangelischer Kirchenmusiker und beging mit 34 Suizid, um der Einberufung zur Wehrmacht und dem Fronteinsatz im Krieg zu entgehen. Der andere, Aaron Copland, 1900 in New York geboren, war ein Symphoniker, Film- und Ballettkomponist, der nach einem langen, glücklichen Leben 1990 verstarb. Trotz der unterschiedlichen Herkunft und Biographie sind Hugo Distler und Aaron Copland gar nicht so weit voneinander entfernt. Sie gehörten der gleichen Generation an und waren auch gleichen Ästhetiken verpflichtet - Distler als Galionsfigur der Erneuerungsbewegung der evangelischen Kirchenmusik nach 1930, Copland als Vater der neuen, echten US-amerikanischen Kunstmusik, des so genannten "New Americanism" der 1930er und 1940er Jahre. Beide Richtungen waren auf ihre jeweilige Art um Verständlichkeit und Fasslichkeit des musikalischen Ausdrucks bestrebt, um die "Volksnähe" der Musik gewissermaßen.
"Entflohn sind wir der Stadt Gedränge"
Für unsere musikalischen Landpartien am Donnerstag haben wir von Distler das "Wanderlied" für Chor a cappella ausgewählt, von Copland das groß besetzte Orchesterstück "An Outdoor Overture". Man tut diesen Stück keine Gewalt an, wenn man sie unmittelbar "aneinanderhängt". Kurioserweise entstanden sie auch fast zur gleichen Zeit: Coplands Orchesterwerk 1938, Distlers Chorsatz 1939. Er stammt aus seinem Mörike-Liederbuch op. 19 und besingt mit einer eingängigen, "ohrwurmverdächtigen" Melodik die Schönheit und Behaglichkeit des Landlebens im Gegensatz zur urbanen Hektik. Die ersten Textzeilen lauten: "Entflohn sind wir der Stadt Gedränge / Wie anders leuchtet hier der Tag."
"In the Countryside"
Der Titel von Coplands Orchesterstück ist nicht so leicht griffig ins Deutsche zu übersetzen. "An Outdoor Overture" ist eine "Ouvertüre für draußen, fürs Freie" und gemeint ist damit die "Countryside", das ländliche Ambiente Nordamerikas. Copland hat es in seiner Musik oft eingefangen - in den Balletten "Appalachian Spring" und "Rodeo" oder auch in dem Soundtrack zu dem Western "The Red Pony". Wohin uns der Ausflug der "Outdoor Overture" führt, wissen wir nicht. Man mag bei der Musik an Landschaftsbilder von Edward Hopper denken - hell, licht und klar, bunt und pittoresk ohne jede Überladenheit. So ist auch Coplands Stück, das in dieser Art mindestens vier Themen vorstellt, changierend zwischen dem Großsprecherisch-Auftrumpfenden, dem Lässig-Tändelnden und dem Lyrisch-Sentimentalen. Gegen Ende klingt sogar noch eine Art Pfadfinder-Marsch auf - amerikanische Teenager in der Countryside, "entflohn der Stadt Gedränge".