Bildquelle: Sim Canetty-Clarke
Der bald 80-jährige Großmeister der historischen Aufführungspraxis in England, Sir John Eliot Gardiner, kehrt zum Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks zurück - und startet einen auf drei Spielzeiten angelegten Schubert-Zyklus! Ein Projekt, das umso willkommener ist, als die letzte Gesamtaufführung der acht vollendeten Schubert-Symphonien beim BRSO unter Lorin Maazel über zwanzig Jahre zurückliegt. Bereits die Erste Symphonie, die der 16-jährige Schubert 1813 im als "Gefängnis" empfundenen Wiener Konvikt zu Papier brachte, zeigt sein melodisches Talent, seinen tänzerischen Elan. Zwar steht das Werk noch ganz im Bann der Wiener Klassiker und stellt eher geringe spieltechnische Anforderungen, aber Gardiner wird zweifellos am historisch informierten Schubert-Sound feilen. Für Arien aus Opern von Carl Maria von Weber bringt er die britische Sopranistin Lucy Crowe mit, die zunächst als Kalifen-Tochter Rezia in Webers "Oberon" auftritt, einem orientalischen Opernmärchen nach Motiven aus Shakespeares "Sommernachtstraum" und Mozarts "Zauberflöte". In ihrer lyrischen Kavatine "Trau're, mein Herz" bangt Rezia um das Schicksal ihres Geliebten, des Ritters Hüon. Bereits zuvor hatten die Liebenden durch einen von Oberon mit seinem Zauberhorn entfesselten Sturm Schiffbruch erlitten und waren getrennt auf einer einsamen Insel gestrandet. In ihrer dramatischen Arie "Ozean, du Ungeheuer" beschwört Rezia die Ambivalenz des Meeres - und ihrer Gefühle zwischen Todesangst und Wiedersehensfreude. Nicht weniger berühmt ist Agathes Arie "Leise, leise, fromme Weise" aus Webers "Freischütz", die eine vergleichbare Gefühlslage zum Ausdruck bringt: Die als Preisgeld ausgerufene Försterstochter Agathe, hin- und hergerissen zwischen Zuversicht und Zweifel, betet für ihren erhofften Bräutigam, den Jägerburschen Max, dass ihm der Probeschuss gelingen möge. Sein spannendes Programm eröffnet Gardiner mit einer der wenigen Moll-Symphonien von Joseph Haydn: Der nicht vom Komponisten stammende Beiname "La Passione" bezieht sich auf das einleitende, wehmütige Adagio - den schmerzlichen Ton wird diese Trauersymphonie bis zum wild lodernden Ende aber nicht verlieren.