Bildquelle: Marco Borggreve
Die Bratschistin Tabea Zimmermann ist eine der profiliertesten, kreativsten und neugierigsten Musikerpersönlichkeiten unserer Zeit - deshalb bezeichnet sie sich selbst auch lieber als "Musikerin mit dem Instrument Bratsche". Ihr breitgefächertes Engagement insbesondere für die zeitgenössische Musik wurde 2020 mit der Verleihung des Ernst von Siemens Musikpreises gewürdigt, der als "Nobelpreis der Musik" gilt. In dieser Saison "Artist in Residence" beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, startete sie als Solistin mit William Waltons Violakonzert und realisierte bei der musica viva eine Uraufführung von Nikolaus Brass. Nach einem Kammerkonzert mit Mitgliedern aus dem BRSO im Münchner Werksviertel beschließt sie ihre Residenz nun in einer ungewohnten Rolle: Nicht etwa als Dirigentin, sondern vom Bratschenpult aus leitet Tabea Zimmermann einen ganzen Konzertabend lang die Streicher des Symphonieorchesters in einem maßgeschneiderten Programm. Im Zentrum steht mit Benjamin Brittens "Lachrymae - Tränen" eine der bewegendsten Kompositionen des Bratschen-Repertoires, bei der Tabea Zimmermann auch den Solopart übernimmt: In vielfältigen Variationssplittern läuft die Musik quasi rückwärts und legt schließlich das zugrundeliegende Lied des Renaissance-Meisters John Dowland frei. Dieses Herzstück ihres exemplarischen Programms rahmt Tabea Zimmermann mit zwei ähnlich gelagerten Bekenntniswerken des 20. Jahrhunderts ein, die beide einen großen Spannungsbogen aus Verdichtung und Verlöschen formen. Zum Schluss präsentiert sie das achte Streichquartett von Dmitrij Schostakowitsch in der Fassung für Streichorchester von Rudolf Barschai. Nicht nur, dass Schostakowitsch sein achtes Quartett mit einkomponierten Initialen als sein eigenes Requiem konzipiert hat - das aufwühlende Werk ist den Opfern von Krieg und Faschismus gewidmet. Das lässt sich generell über das Schaffen des Münchners und musica viva-Gründers Karl Amadeus Hartmann sagen, dessen Vierte Symphonie Tabea Zimmermann beziehungsreich an den Anfang stellt - schließlich wurde dieser große Streicher-Gesang 1948 vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks uraufgeführt.