Bildquelle: Felix Broede
Endlich gibt es beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks eine Wiederbegegnung mit dem russischen Klavierstar Evgeny Kissin - sein letzter Auftritt mit Mariss Jansons liegt fast zwanzig Jahre zurück! Der jetzt 52-jährige Kissin ist seit seinen Wunderkind-Anfängen ein genialer Repräsentant der russischen Klavierschule - und hat sich von Anfang an ganz klar gegen Putins Überfall auf die Ukraine positioniert. Dass Kissin ein besonderes Talent für die schwerblütige Musik des "letzten Romantikers" Sergej Rachmaninow hat, zeigt er nun erneut mit dem dreiviertelstündigen dritten Klavierkonzert, das er bereits als 21-Jähriger mit Seji Ozawa und seinem Boston Symphony Orchestra brillant eingespielt hatte. Die Fingerakrobatik, die Rachmaninow hier fordert, macht das d-Moll-Klavierkonzert wohl zum technisch anspruchsvollesten unter den vier Konzerten - für Kissin natürlich kein Problem. Eine ganz andere Facette russischer Musikkultur demonstriert der polnische Pult-Debütant Krzysztof Urbański mit der düsteren Zehnten Sinfonie von Dmitrij Schostakowitsch. Urbański ist als Gastdirigent weltweit gefragt, enge Verbindungen pflegt er zum Orchestra della Svizzera Italiana in Lugano, zum NDR Elbphilharmonie Orchester und zu den Münchner Philharmonikern. In der Zehnten Sinfonie kann Urbański das ganze Leid der Stalin-Ära, das Schostakowitsch direkt nach dessen Tod 1953 in dem monumentalen Stück reflektiert, beklemmend ausmusizieren, im aggressiven Scherzo, einem fratzenhaften Porträt des Diktators, auch die Muskeln spielen lassen. Und immer wieder hat der Komponist seine eigenen Schreckenserfahrungen unter dem Stalin-Regime mit seinen Ton-Initialen D-S-C-H der Partitur unüberhörbar eingeschrieben.