Bildquelle: Bayerische Schlösserverwaltung
Das Jubiläumsjahr zum hundertjährigen Bestehen des Mediums Rundfunk geht zu Ende - und BR-KLASSIK präsentiert zum Programm-Schwerpunkt "Der wilde Sound der 20er" im Konzertabend mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks noch einmal Archivschätze aus den 1960er und frühen 70er Jahren: drei epochale Ballette und dazwischen zwei konzertante Werke, die allesamt 1923 komponiert bzw. uraufgeführt wurden, bevorzugt im kulturellen Schmelztiegel Paris. Prototypisch dafür steht das revolutionäre Ballett "La création du monde" von Darius Milhaud in einer historischen Aufnahme mit dem Komponisten am Pult. Mit einem Saxofon brachte Milhaud damals neuartige Jazzelemente in sein Tanzpoem ein und verwob diese mit der archaischen Klangwelt afrikanischer Schöpfungsmythen. Milhauds "Erschaffung der Welt" ist zugleich eines von fünf Werken aus dem Jahr 1923, die zum Jubiläum von BR-KLASSIK als innovatives Edutainment-Format produziert wurden - die Videoaufzeichnungen mit dem BRSO und die zusätzlichen Erklärstücke der Dirigentin Erina Yashima sind in der ARD Mediathek jederzeit abrufbar.
Die "Concertanten Variationen über ein Thema von Beethoven", entnommen dem Scherzo der "Frühlingssonate", schrieb der österreichische Spätromantiker Franz Schmidt 1923 für den kriegsversehrten einarmigen Pianisten Paul Wittgenstein. Konzipiert für die linke Hand, hat sich im Konzertleben jedoch die zweihändige Fassung von Friedrich Wührer durchgesetzt. Fantasievoll verwandelt Schmidt das Thema in einen Boléro, einen Ländler, einen Choral oder eine Fuge. Direkt ins Wiener Fin de Siècle führt dann Franz Schrekers Tanzpantomime "Der Geburtstag der Infantin" nach Oscar Wildes Märchendichtung über die kaltherzige Prinzessin, die Diego Velázquez in seinem berühmten Gemälde porträtiert hat. Das klangsinnliche Tanzstück von 1908 markiert die Geburtsstunde des modernen Ausdruckstanzes; 1923 wurde Schrekers Suite daraus in Amsterdam uraufgeführt. Obwohl noch in Sankt Petersburg entstanden, erlebte das erste Violinkonzert von Sergej Prokofjew mit seinen süffigen Lyrismen und virtuosen Arabesken erst 1923 in Paris seine Uraufführung, also im selbstgewählten westeuropäischen Exil Prokofjews. Höhe- und Schlusspunkt der Sendung bilden Igor Strawinskys russische Tanzszenen mit Gesang und Musik "Les Noces", die gleichfalls 1923 in Paris uraufgeführt wurden - von Sergej Diaghilews legendären Ballets Russes. Mit archaisch stampfenden Rhythmen von vier Klavieren und viel Schlagwerk zeichnet Strawinsky die starren Riten einer altrussischen Bauernhochzeit nach.