Vor gut einem Jahr leitete der 34-jährige venezolanische Pultstar Gustavo Dudamel das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks zum ersten Mal - auf einer Tournee, die in Lissabon begann, durch mehrere spanische Städte führte und beim Lucerne Festival zu Ostern endete. Jetzt folgt endlich sein Münchner Debüt mit dem Symphonieorchester. Und wie beim letzten Mal, als Dudamel Beethovens "Pastorale" mit Strawinskys "Sacre" kombinierte, präsentiert er auch in München eine verblüffend beziehungsreiche Werk-Koppelung. In der ersten Konzerthälfte stellt Dudamel eine faszinierende Komposition des amerikanischen Post-Minimalisten John Adams vor, die er erst 2009 mit seinem Los Angeles Philharmonic Orchestra uraufgeführt hatte: "City Noir" ist eine großangelegte Partitur, die den von Leonard Bernstein und anderen geprägten Stilmix aus Symphonik und Jazz beschwört. Mit "City Noir" vollendete Adams eine Trilogie über den US-Bundesstaat Kalifornien und huldigt darin dem uramerikanischen Krimi-Genre des Film noir mit seinen urbanen Schauplätzen und labyrinthischen Perspektiven. In suggestiven Klangbildern, spannenden Hell-Dunkel-Kontrasten und jazzigen Instrumental-Soli entwickelt Adams ein düsteres Großstadt-Panorama, das andererseits von heftigen Vibrationen nur so durchpulst wird. Die ideale Ergänzung dazu bietet nach der Pause Beethovens siebte Symphonie, die Richard Wagner mit seinem vielzitierten Ausspruch von der "Apotheose des Tanzes" prägnant charakterisierte. Tatsächlich bildet der Rhythmus die formgebende und vorwärtstreibende Kraft der ganzen Symphonie, deren unbändiger Taumel am Ende wie ein Befreiungsschlag wirkt.
(Fridemann Leipold)