Bildquelle: BR\Astrid Ackermann
Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks wird 75 Jahre alt - und beschenkt sein Publikum mit einem außergewöhnlichen Konzerterlebnis! Denn Arnold Schönbergs "Gurre-Lieder" werden wegen ihres enormen Aufwands nur selten aufgeführt. Genau das Richtige zum Jubiläum, dachte sich der charismatische Chefdirigent Sir Simon Rattle, auch wenn die Orchester- und Chormassen eigentlich die Dimensionen der Münchner Isarphilharmonie im Gasteig HP8 sprengen. Zugleich ehrt Rattle mit Schönbergs "Gurre-Liedern" den bahnbrechenden Komponisten zum 150. Geburtstag.
Dabei nutzte Schönberg den riesigen Apparat in seinem weltlichen Oratorium bis auf wenige kraftvolle Höhepunkte vor allem zur Ausdifferenzierung der spätromantischen Orchesterpalette. Das ganze erste Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts arbeitete der Komponist an seiner Vertonung der eingedeutschten Verse des Dänen Jens Peter Jacobsen - Franz Schreker brachte die "Gurre-Lieder" dann 1913 in Wien zur triumphalen Uraufführung. Sie erzählen vom dänischen König Waldemar auf der mittelalterlichen Burg Gurre, deren Ruine man heute noch nahe Helsingør bewundern kann, und seiner heimlichen Liebe zu Tove, einem Mädchen aus dem Volk. Die eifersüchtige Königin lässt die Rivalin ermorden, Waldemar lästert Gott wegen dieser Schandtat und wird nach seinem Tod mit seinen Mannen, den Gräbern entstiegen, zur wilden Jagd verdammt. Erst beim Morgengrauen findet der Spuk ein Ende.
Der religiöse Subtext der Dichtung reizte Schönberg ebenso wie die Bezüge zu Wagners Musikdramen: Wer dächte bei der Enthüllung von Toves Tod durch eine Waldtaube nicht an Siegfrieds Waldvöglein, bei Waldemars Reitern nicht an Hagens Mannen, beim kosmischen Liebesrausch des todgeweihten Paares nicht an Tristan und Isolde? In drei Teilen entfaltet Schönberg von der schillernden Abenddämmerung des Beginns über die suggestive Liebesnacht bis zum gleißenden Sonnenaufgang ein einzigartiges Klangpanorama. Innovativ lässt Schönberg das Erwachen der Natur an einem Sommertag in Form eines Melodrams von einem Sprecher vortragen, ehe sich die vereinten Kräfte zum finalen Sonnengruß aufschwingen.