Bildquelle: Harald Hoffmann, Deutsche Grammophon
Als der britische Jungstar Daniel Harding 2001 zwei Brahms-Symphonien mit der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen auf CD vorlegte, war er mit dieser Einspielung selbst nicht ganz glücklich - wie auch, da war er Mitte zwanzig! Nun kommt Harding zum wiederholten Mal als Gast zum Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und dirigiert die erste Symphonie von Johannes Brahms - und man darf auf die gereifte Interpretation des bald 40-Jährigen gespannt sein. Diesen symphonischen Erstling in düsterem c-Moll kombiniert Harding beziehungsreich mit dem hochexpressiven Bühnenerstling von Arnold Schönberg, dem Einakter "Erwartung". Schließlich war Schönberg ein großer Brahms-Bewunderer, wie es in seinem berühmten Vortrag "Brahms, der Fortschrittliche" zum Ausdruck kommt. Höchst fortschrittlich zeigte sich auch Schönberg selbst in seinem Monodram für eine hochdramatische Sopranstimme nach einem expressionistischen Libretto von Marie Pappenheim, in dem eine einsame Frau im nächtlichen Wald nach ihrem Geliebten sucht - und am Ende nur seine Leiche findet. Mit seinem riesig besetzten, spätromantischen Orchesterapparat zeichnet Schönberg in freier Atonalität alle Seelenkurven dieser Frau zwischen Hysterie und Depression, zwischen Angstträumen und Hoffungsschimmern seismographisch nach, als sei's ein Drama von Sigmund Freud. Diesen Psychothriller gestaltet die Bayreuth-erfahrene Sopranistin Evelyn Herlitzius. Kühne, vorimpressionistische, in die Zukunft weisende Klänge leiten auch den Abend ein, wenn Vorspiel und Karfreitagszauber aus Richard Wagners Vermächntis, dem für Bayreuth bestimmten Bühnenweihfestspiel "Parsifal" erklingen.
(Fridemann Leipold)