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"Ich will nicht dagegen opponieren, wenn man mich einen Epigonen nennt", bekannte der Romantiker Carl Reinecke in seinen Lebenserinnerungen, denn: "Wider meine Überzeugung und wider mein Gefühl kann ich nichts spielen oder dirigieren" - oder auch komponieren, könnte man hinzufügen. Befreundet mit Mendelssohn und Schumann, bekannt mit Brahms, geriet Reinecke ins Fahrwasser der Leipziger Schule, die von Klassizismus, Akademismus und Konservativismus geprägt war. Das muss nichts Schlechtes sein, wie Reineckes riesiger Werkkatalog mit über 300 Opusnummern belegt. Und rechtfertigt nicht das Biedermeier-Etikett vom "Carl Spitzweg und Ludwig Richter der deutschen Musik", das ihm die Fortschrittspartei um Berlioz, Wagner und Liszt verpasste - der ihn übrigens als Pianisten hoch schätzte. Zur Zentralgestalt des Leipziger Musiklebens wurde Reinecke nicht nur als Direktor des traditionsreichen Konservatoriums, an dem er Generationen von Schülern ausbildete. Sondern vor allem als Gewandhauskapellmeister - mit seiner 35-jährigen Ära ist Reinecke bis heute der am längsten amtierende Chefdirigent in der Geschichte des ältesten deutschen Kulturorchesters. Heute vor 200 Jahren, am 23. Juni 1824, wurde Carl Reinecke im damals dänischen, längst zu Hamburg gehörenden Stadtteil Altona geboren.
Zum 200. Geburtstag Reineckes erklingen in der Sonntagsmatinée mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks neben Musik seines Vorbilds Mozart und seiner zeitgenössischen Idole Mendelssohn und Schumann, bedeutende Werke für Flöte: Mit Reineckes spätem Flötenkonzert, einem beliebten Prüfungsstück, erspielte sich der Schweizer Flötist Sébastian Jacot, mittlerweile Soloflötist der Berliner Philharmoniker, 2015 den ersten Preis beim ARD-Musikwettbewerb. Und erst kürzlich musizierte die Flötistin Ivanna Ternay mit dem Pianisten Lukas Maria Kuen bei einem BRSO-Kammerkonzert Reineckes bekanntestes Werk: die romantische Flötensonate nach Friedrich de la Motte-Fouqués Märchen von der Wassernixe "Undine". Dieses reizvolle Stück Programmmusik zeigt, dass Reinecke von den Neudeutschen gar nicht so weit weg war.
Im zweiten Teil der Sendung "Après-midi" (13.05 Uhr) können Sie weitere Kompositionen Reineckes kennenlernen: bezaubernde Improvisationen über ein französisches Volkslied mit dem Klavierduo Genova & Dimitrov sowie die dritte und letzte Sinfonie des Jubilars aus der Gesamtaufnahme mit dem Münchner Rundfunkorchester unter Henry Raudales.