BR-KLASSIK

Inhalt

Sonntag, 23.06.2024

23:03 bis 00:00 Uhr

BR-KLASSIK

zur Übersicht
Tango | Bildquelle: © colourbox

Bildquelle: © colourbox

BR-KLASSIK - Musik der Welt

Die Vielfalt globaler Sounds

Die Vielfalt globaler Sounds. Ein internationales Autoren-Team präsentiert Musik rund um den Globus, vom Porträt bis zum  Konzertmitschnitt.

Tango ist nicht nur Tanz, Tango ist Musik: klassisch, populär und vor allem Eines, in seiner Entstehung vulgär. Tango Argentino ist große Kunst und kleine Folklore, ist Geschichte und Gesang und ist eine soziopolitische Erscheinungsform. Und die hat viel mit der Dichtung zu tun, die gesungen wird. Die ganz großen Sänger zu Beginn des letzten Jahrhunderts, Alberto Castillo, Carlos Gardel und Libertad Lamarque klingen heute wie Klassiker. "Por una Cabeza" etwa: Zusammen mit dem Dichter Alfredo Le Pera schrieb Gardel die Musik dieses berühmten Tangos über Pferderennen, Wetten und die Liebe. Wenige Tage vor der Film-Premiere, im Jahr 1935, stürzten Gardel und sein Dichter Le Pera in einem Flugzeug ab. Die gesungenen Tangos der goldenen Epoche in den dreißiger bis fünfziger Jahren wurden berühmt und werden auch heute noch aufgelegt. Unsere Interviewpartnerin Laura Cairo erklärt, dass diese gesungenen Tangos meist nicht getanzt werden, sie sind nur gesungene Poesie, Tangos zum Hören. Für die argentinische Pianistin und Tangolehrerin ist der Tango die Verbindung von ernster Musik, Folklore und populärer Musik, im Tango findet sie alles. Und sie hat eine Erklärung dafür, dass die Deutschen mit Inbrunst auch solche Tangos tanzen können, deren Liedtexte sie gar nicht verstehen. Denn viele der gesungenen Tangos sind nicht in Hochspanisch, sondern in Lunfardo notiert, ganz oder teilweise. Lunfardo ist der Dialekt vom Rio de la Plata und ist mit Schlüsselwörtern und Wortverdrehungen für Außenstehende oft unübersetzbar, und das nicht nur wegen der Sprache, sondern wegen der dortigen Lebenserfahrung, die in der Poesie steckt. Dennoch entfaltet der Tangogesang auch hier zu Lande seine Magie. Was ist es, das den Tango so attraktiv macht? Je älter eine Frau wird, desto besser singt sie den Tango, heißt es. Die wunderbare Sängerin Ines Arce mit ihrer unvergleichlichen Stimme ist das beste Beispiel dafür.
Die eher tanzbaren Tangos erkennt man an den Orchestereinleitungen, etwa bei Osvaldo Pugliese. Im Tango Nuevo kommt eine neue Freiheit der Form auf, Astor Piazzolla beraubt den Tango der Worte, schreibt rein instrumental, aber er vertont auch Poesie des magischen Realismus. Trotz höchster Kunstfertigkeit, technischer Entwicklungen und musikalischen Könnens bezeichnen sich manche Tangoensembles bis heute gerne als "Malevaje". Das ist der Titel eines Tango-Klassikers und eine Überlebensstrategie ...

Gesang der Nacht - Tango-Lieder
Von Friederike Haupt
(Wiederholung vom 21. Juli 2013)

    AV-Player