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Jordi Savall präsentierte mit seinem Barockorchester Le Concert des Nations in Granada ein Programm, in dem die beiden großen nationalen Stile des frühen 18. Jahrhunderts - der französische und der italienische - auf ganz besondere Weise einander gegenüberstehen. Vivaldis Konzert für vier Violinen ist eines der außergewöhnlichsten Werke seiner Art. Bach gefiel es so gut, dass er es für vier Cembali transkribierte. Zu diesem Zeitpunkt war der deutsche Komponist bereits ein hingebungsvoller Verehrer der venezianischen Stilrichtung und seine Konzerte (wie das BWV 1052 für Cembalo) folgten dem von Vivaldi verankerten dreiteiligen Modell. Die Tanzsuite war das französische Genre schlechthin, aber die Deutschen übernahmen es ohne Zögern. In Bachs bekannter h-Moll-Suite, die heute zu hören ist, verwendet Bach eine Soloflöte und verbindet meisterhaft die Prinzipien der Suite mit denen des Konzerts - er verschmilzt den französischen und italienischen Stil in einem Stück.
Das Konzert für 4 Violinen, Streicher und Basso Continuo veröffentliche Antonio Vivaldi 1711 in Amsterdam in seiner Sammlung von 12 Konzerten mit dem Titel "L'estro armonico" (Die harmonische Inspiration). Vivaldi verschmolz darin das Prinzip des "Concerto grosso", in dem das Orchestertutti dominiert und Solopassagen daraus gelegentlich hervortreten, mit der Form des Solo-Konzertes, in dem die Soloinstrumente dominieren.
Johann Sebastian Bach kannte die fortschrittliche Konzertform Vivaldis genau. Das Konzert für vier Violinen hatte er für vier Cembali umgearbeitet. Das Konzert für Cemblao, Streicher und Basso continuo BWV 1052 ist ebenfalls eine Umarbeitung, und zwar eines verlorenen Violinkonzerts in e-Moll, dessen Musik Bach bereits in den Kantaten BWV 146 und 188 verwendet hatte. Bach als Thomaskantor in Leipzig bearbeitete eigene Solo-Konzerte - für Violine, Oboe oder Flöte - aus früheren Zeiten für Cembalo und Orchester um, um sie bei den sehr beliebten Konzerten im Zimmermannschen Kaffeehaus aufführen zu können. Das Konzert d-Moll folgt in den schnellen Sätzen Vivaldis typischem Ritornellstil, denen der Komponist intensive Dramatik verleiht, während sich der Mittelsatz wie ein stark verziertes Lied in vier Episoden entwickelt.
Von Bachs vier erhaltenen Orchestersuiten enthält Nr. 2 eine Solo-Querflöte, sodass sie als eine Zwitterform der Konzertgattung betrachtet werden kann. Das Werk ist in einem Manuskript aus den Jahren 1738-39 überliefert, obwohl vermutet wird, dass es auch eine ältere Version in a-Moll gab, in der das Soloinstrument die Violine oder die Oboe gewesen sein könnte. In der Version von 1738-39 verdoppelt die Flöte normalerweise die erste Violine, ihr werden jedoch im Mittelteil der Ouverture, in einer der Episoden des Rondeau, in der Bourrée II, im Double de la Polonaise und in der abschließenden Badinerie konzertierende Funktionen zugewiesen. Bachs Absicht, mit theoretisch stereotypen Formen Abwechslung zu erzielen, zeigt sich bereits im ersten Satz, wenn er nach dem Fugenabschnitt die Wiederholung des Anfangs vermeidet und statt der Rückkehr zum binären Rhythmus eine langsamere Variation schreibt, allerdings in ¾. Bachs Neuerungen erreichen die kontrapunktische Behandlung der Sarabande, dem Double der Polonaise, wenn die Oberstimme zum Bass wandert, während die Flöte darüber eine suggestive Figuration hinzufügt, und am Ende mit der Hinzufügung jener virtuosen, eingängigen und rätselhaften "Badinerie", die beinahe ein musikalischer Scherz ist.