Bildquelle: Satoshi Aoyagi
Franz Welser-Möst, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks seit 35 Jahren eng verbunden, mischt in seinen Programmen gern Altbekanntes mit Neuem, Ungehörtem. So auch diesmal, wenn er Tschaikowskys populäre Fünfte Sinfonie mit der kaum gespielten Zweiten von Sergej Prokofjew koppelt. Deren relative Unbekanntheit hat mehrere Gründe: Sie ist enorm komplex, stellt an die Ausführenden kräftezehrende Anforderungen und dürfte auch heutigen Ohren noch reichlich sperrig vorkommen. Mitte der 1920er Jahre wollte es Prokofjew dem verwöhnten Pariser Publikum mal so richtig zeigen, wer in Sachen Avantgarde das Sagen hatte - seine Lust an der Provokation spielte ihm dabei in die Hände: "Also entschloss ich mich zur Komposition einer großen Sinfonie, einer aus 'Stahl und Eisen'." Und das hört man dem nur zweisätzigen Werk mit seinen schrillen Dissonanzen und hämmernden Rhythmen vor allem im Kopfsatz an, der wie ein Manifest des Bruitismus wirkt. Im folgenden Variationsthema kommt dann auch Prokofjews strömender Lyrismus zur Geltung, bevor der facettenreiche Satz nach erneutem maschinenhaften Stampfen seltsam beiläufig verklingt. Ganz dem großen Gefühl hingeben kann man sich dann im zweiten Konzertteil, wenn Welser-Möst die Fünfte Sinfonie von Peter Tschaikowsky dirigiert. In allen vier Sätzen dieser e-Moll-Sinfonie, selbst im duftigen Walzer bricht ein ominöses "Schicksalsmotiv" in die Idylle ein, bevor sich das musikalische Geschehen nach E-Dur wendet und in einen triumphalen Schlussmarsch mündet.