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Im März 1893 trifft Ruggero Leoncavallo seinen Kollegen Giacomo Puccini in der Mailänder Galleria. Seit den Premieren von" I Pagliacci" respektive "Manon Lescaut" sind beide Maestri auf Erfolgskurs und gönnen sich eine gemeinsame Kaffeepause. Doch das angeregte Geplauder verstummt jäh, als sich herausstellt, dass beide gerade denselben Stoff vertonen: Henri Murgers "Scènes de la vie de Bohème"! Die Freundschaft wird aufgekündigt, die Verleger hetzen die Presse auf, die Mailänder Presse spaltet sich in zwei feindliche Lager. Ein gnadenloser Wettkampf beginnt, den Puccini gewinnt. Seine "Bohème" wird im Februar 1896 in Turin uraufgeführt, Leoncavallos gleichnamige Oper kommt erst 15 Monate später heraus und hat keine Chance mehr beim Publikum. Ob zu Recht, das soll in dieser "con passione"-Ausgabe von "Nimm zwei! - Ein Opernsujet in zwei Vertonungen" geprüft werden. Fest steht, dass Leoncavallo sich als sein eigener Librettist enger an die sozialkritische Tendenz der Vorlage hielt und die Armut des Künstlervölkchens weniger verklärend darstellte als Puccini. Schließlich beschrieb Murger die Existenzform der "Bohème" als "Vorwort zur Akademie, zum Ruhmestempel oder Leichenschauhaus".