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Der 60-jährige Mailänder Gianandrea Noseda ist einer der profiliertesten Dirigenten seiner Generation, ein Mann der Oper vor allem und als solcher amtierender Generalmusikdirektor am Opernhaus Zürich. Parallel dazu hat Noseda aber immer auch Konzertrepertoire dirigiert, derzeit als Music Director beim National Symphony Orchestra in Washington. Zeit wurde es für sein Debüt beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, das Noseda zusammen mit der jungen italienischen Pianistin Beatrice Rana bestreitet. Beim BRSO hat sie bereits mit den Klavierkonzerten von Robert und Clara Schumann sowie dem dritten Konzert von Sergej Prokofjew begeistert. Nun spielt Beatrice Rana Peter Tschaikowskys größten Hit, sein erstes Klavierkonzert in b-Moll, das mit seinem atemberaubenden Tastenfeuerwerk und seinen Ohrwurm-Qualitäten unwiderstehlich ist. Auch nach der Pause bleibt Noseda bei russischem Repertoire und ehrt Dmitrij Schostakowitsch zum 50. Todestag mit dessen Sechster Sinfonie, die man aufgrund ihrer nur dreisätzigen Anlage als "Rumpf ohne Kopf" abqualifiziert hat. Dabei ist die h-Moll-Sinfonie stringent aufgebaut: Vom düster verhangenen Largo-Beginn steigert sie sich über ein sarkastisches Scherzo bis zum grotesk überdrehten Presto-Kehraus. Und an den Anfang setzt Noseda, der sich auf CD bevorzugt für die frühe italienische Moderne starkgemacht hat, ein Diptychon seines Landsmanns Luigi Dallapiccola: Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg schuf der zeitweise internierte und später politisch engagierte Komponist seine "Due pezzi", die ihn auf dem Weg zu einer individuell geprägten Zwölftontechnik zeigen. Der kammermusikalische Beginn der elegischen Sarabande steht in heftigem Kontrast zur nachfolgenden scharfkantigen Fuge, die in einen hymnischen Schluss mündet.