Bildquelle: Frances Andrijch
Bedauerlicherweise musste Esa-Pekka Salonen die Leitung der Konzerte mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in dieser Woche aus persönlichen Gründen abgeben. Dankenswerterweise hat sich der britische Dirigent Paul Daniel kurzfristig bereit erklärt, für Salonen einzuspringen und auch dessen unkonventionelles Programm zu übernehmen. Als Hauptwerk des Abends präsentiert Daniel in konzertanter Aufführung eine Kostbarkeit des französischen Opern-Repertoires: den Einakter "L'enfant et les sortilèges - Das Kind und die Zauberdinge" von Maurice Ravel. Im Libretto der Schriftstellerin Colette geht es um die Läuterung eines garstigen Kindes, dessen Zorn über den von der Mutter verhängten Stubenarrest in eine Orgie der Zerstörung ausartet: Das Kind quält die Haustiere und demoliert das Mobiliar. Doch die malträtierten Tiere und verlebendigten Haushaltsgegenstände wehren sich, das Kind bekommt Angst und zeigt mit der Pflege eines verletzten Eichhörnchens erstmals Mitleid - der Spuk ist vorbei. Zu dieser Parabel einer Menschwerdung ist Ravel eine wahrhaft zauberhafte Revue unterschiedlichster Stile und Tonfälle gelungen, die vom Belcanto bis zur Music Hall reicht. Highlights sind ein jaulendes Katzenduett und ein kesser Ragtime zwischen Teekanne und chinesischer Tasse. Für diese zart kolorierte "Fantaisie lyrique" steht Daniel ein überwiegend französischsprachiges Ensemble zur Verfügung. Eine weit größere Aufgabe kommt dem Chor des Bayerischen Rundfunks im ersten Konzertteil zu, wenn Salonen sein eigenes Stück "Karawane" dirigiert. "Karawane" wurde vor gut einem Jahr als Auftragswerk des Zürcher Tonhalle Orchesters zum Einstand des neuen Chefdirigenten Lionel Bringuier uraufgeführt, der seine Karriere als Assistent von Salonen beim Los Angeles Philharmonic begann. "Karawane" beruht auf dem gleichnamigen Lautgedicht des Dadaisten Hugo Ball und bietet zwischen mystischem Wispern, swingenden Pulsationen und entfesselten Urkräften einen klangsinnlichen Hörfilm der besonderen Art.
(Fridemann Leipold)