Bildquelle: © Benjamin Ealovega
Zum Saisonauftakt debütiert der junge britische Dirigent Ryan Wigglesworth beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks - und präsentiert zwei vernachlässigte Meisterwerke aus seiner Heimat. In dem avancierten Liederzyklus "Our Hunting Fathers" des 23-jährigen Benjamin Britten bestreitet der in München bereits bestens bekannte Tenor Mark Padmore seinen ersten Auftritt als neuer "Artist in Residence" beim Symphonieorchester. Der Zyklus entstand 1936 in Zusammenarbeit mit dem Dichter Wystan Hugh Auden und thematisiert in wilden Hetzjagden das ambivalente Verhältnis zwischen Mensch und Tier - Komponist und Textdichter zielten in der Vorkriegszeit mehr noch auf den zwischenmenschlichen Umgang ab, frei nach dem Motto "Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf". In seinem exponierten Solopart verlangt Britten einer hohen Stimme zwischen lautmalerischem Sprechgesang und kantablen Lyrismen Extremes ab. Auch Michael Tippetts kurz darauf entstandenes Oratorium nach einem eigenen Text "A Child of Our Time" reflektiert prophetisch das aufziehende Unheil. Die in der Tradition der Bach-Passionen stehende Komposition bezieht anstelle der Choräle stilisierte Negro-Spirituals ein. "A Child of Our Time" wurde beim Symphonieorchester überhaupt erst einmal aufgeführt, 1987 von Colin Davis. Auch dreißig Jahre später wird sich niemand der überwältigenden Wirkung dieses Jahrhundertwerks entziehen können - in seiner politischen Botschaft hochaktuell und zugleich tröstlich wie ein Requiem. Eine mehr als dankbare Aufgabe für das britisch-schottische Solisten-Quartett und den von Howard Arman einstudierten Chor des Bayerischen Rundfunks. Seinem ambitionierten Programm stellt Wigglesworth die zweite Leonoren-Ouvertüre Beethovens voran, die mit ihrem Appell-Charakter perfekt in den Kontext passt.