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Bayreuther Festspiele

24. Juli - 27. August 2024

Kritik - "Parsifal" bei den Bayreuther Festspielen Ein Hoch auf die Werkstatt Bayreuth

2016 wurde Uwe Eric Laufenbergs "Parsifal"-Neuproduktion, die den Clash der Kulturen zwischen Christentum und Islam allzu klischeehaft abhandelt, verrissen. Im dritten Jahr der Inszenierung gelingen dem Regisseur einige Verbesserungen. Ganz schlüssig und logisch ist das Konzept aber immer noch nicht.

Bildquelle: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Die Premierenkritik zum Anhören

Es ist wirklich nichts Neues, aber das Festspielhaus und die Festspielidee Richard Wagners sind einfach genial! Dieser Abend beweist einmal mehr aufs Neue, weshalb. Zunächst einmal, weil Richard Wagners Vision, sein Festspielhaus zu einer Werkstatt zu machen, es ermöglicht, dass ein Regisseur seine laufende Inszenierung nochmal überarbeitet. Und das heißt im Fall von Uwe Eric Laufenberg, eine ziemlich schlechte Inszenierung zu einer über gewisse Strecken soliden Arbeit umzugestalten. Im dritten Jahr seiner Verortung des Bühnenweihfestspiels im Nahen Osten entrümpelt er die Personenregie im ersten Aufzug. Es gibt es kaum mehr "Gänge ohne Grund", plötzlich wirkt alles motivierter, und sogar der Auftritt des Chores, der die letzten Jahre ordentlich gerumpelt hat, wirkt jetzt organischer.

Parsifal im dritten Jahr - work in progress

Ganz schlüssig und logisch ist das Konzept freilich immer noch nicht. Es ist schade, dass die Geschichte der Geflüchteten im Kloster der Gralsritter nicht weiter erzählt wird, es ist immer noch nicht klar, was Klingsors Kreuzsammlung eigentlich im Hamam soll, zumal Klingsor ja eigentlich als Muslim eingeführt wurde. Auch im dritten Aufzug hakt noch einiges. Unnötig ist zum Beispiel die neue Idee zur Verwandlungsmusik. Da tauchen in einer leider nicht besonders hochwertigen Projektion aus einem Wasserfall jetzt Winifred und Wolfgang Wagner auf, bevor die aus der Herheim-Inszenierung zitierte Totenmaske Richard Wagners erscheint. Solche Metareferenzen sollten Inszenierungen vorbehalten bleiben, die Rezeptionsgeschichte auf virtuosere Weise erzählen.

Szenenfoto "Parsifal" 2018  - Wagner Oper - Bayreuther Festspiele - Thomas J. Mayer (Amfortas) | Bildquelle: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath Thomas J. Mayer (Amfortas) | Bildquelle: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath

Laufenberg hat übrigens die Figur, die auf dem Dach des Klosters saß, erneuert – ein Element, das in seinem Umfeld als die "Kritikerfalle", bekannt ist. Die ist jetzt eine Art Hirtenjunge auf dem Dach. Schade, dass er das Geld und die Energie nicht in etwas anderes investiert hat. Dennoch: Die Änderungen bis hier verdienen Respekt, vielleicht werden es im Jahr Vier ja noch mehr solide Stellen – ein Hoch auf die Werkstatt Bayreuth.

Neben dem Werkstattgedanken ist es einmal mehr die Akustik, die die Genialität des Festspielhauses beweist – und die des Dirigenten, der diese Akustik unglaublich gut bedienen kann. Was Semyon Bychkov gelingt, ist – genau wie Wagners Bühnenweihfestspiel selbst – die Quadratur des Kreises. "Parsifal", das bedeutet berauschende Kunstreligion einerseits, bohrende Psychoanalyse andererseits. Die Musik stellt, während sie einen umgarnt und in Erlösungstaumel einlullt, dauernd die Frage nach den Gründen für unsere Erlösungssehnsucht. Und genauso dirigiert Semyon Bychkov.

Sein erster Aufzug ist bemerkenswert langsam, aber spannungsvoll und analytisch. Die Verwandlungsmusik kommt teilweise so monumental daher, wie Wagnerianer es lieben. Und doch werden all die Fragezeichen und Widersprüche in Wagners Musik, die Psychologie von Schmerz, Schuld und Mitleid aufgefächert, so klar präsentiert, wie es nur möglich ist – und das eben nur in diesem Haus.

Surfen auf Klangwogen

Was Semyon Bychkov im ersten Aufzug verspricht, halten er und das Orchester in den weiteren: Bychkov holt alles aus dem Surround Sound des Festspielhauses heraus, die Musik drückt einen leidenschaftlich in den Sitz, lässt einen schweben, wühlt auf, versöhnt, beschwichtigt, und hinterfragt. Und auf diesen Klangwogen und Klang-Tsunamis surfen Chor und Solisten – und das ausnahmslos auf höchstem Niveau und in gebotener Vielschichtigkeit.

Günther Groissböck präsentiert einen stimmlich sehr autoritären Gurnemanz – erfrischend, kommt der sonst doch oft allzu väterlich daher. Einen leidenden, gebrochenen, aber endlich auch wütenden Amfortas singt Thomas J. Mayer. Derek Welton zeigt, dass Klingsors Hass auf die Gralswelt vor allem Selbsthass ist. Mit seiner Textverständlichkeit und seinem Stimmklang präsentiert er sich als einer der besten Klingsor-Darsteller der letzten Zeit.

Was die Inszenierung im zweiten Aufzug nicht schafft, gelingt Elena Pankratova. Sie gliedert den langen Dialog mit Parsifal: mysteriös, düster, verführerisch, stark, brüchig, mütterlich, heuchlerisch… Sie kann alles, was Kundry sein muss. Der offenkundige Spaß, den sie und Andreas Schager im Zusammenspiel haben, überträgt sich unmittelbar auf den Zuschauer. Und Andreas Schager? Der ist in seinem zweiten Jahr als Vollzeit-Parsifal einfach über jeden Zweifel erhaben.  

Stichwort: Werkstatt Bayreuth

Einziges musikalisches Manko: Die Stimmen von oben, also die der Knaben und Jünglinge im Gralstempel, sind einfach viel zu leise. Vermutlich liegt das am Bühnenbild, das nach oben abgeschlossen ist. Aber vielleicht ändert sich daran ja bis zum nächsten Jahr etwas – Stichwort Werkstatt.

"Parsifal" bei den Bayreuther Festspielen 2018

Musikalische Leitung: Semyon Bychkov
Regie: Uwe Eric Laufenberg

Amfortas: Thomas J. Mayer
Gurnemanz: Günther Groissböck
Parsifal: Andreas Schager
Klingsor: Derek Welton
Kundry: Elena Pankratova

Infos zu Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der Homepage der Bayreuther Festspiele

Der Opernführer für Eilige - "Parsifal" [Video]

Sendung: "Allegro" am 27. Juli 2018 ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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