Bayreuther Festspiele
24. Juli - 27. August 2024
Plácido Domingo ist der erste Sänger, der bei den Bayreuther Festspielen auch als Dirigent auftritt. Doch weder Domingo selbst noch die Festspielleitung haben sich mit diesem "Walküren"-Dirigat einen Gefallen getan. Robert Jungwirth hat die Wagner-Oper am Dienstag im Bayreuther Festspielhaus miterlebt.
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Die Kritik zum Anhören
Die sängerfreundliche Akustik von Bayreuth kennt Plácido Domingo bereits, seit er hier 1992 den Parsifal und im Jahr 2000 den Siegmund in der "Walküre" gesungen hat, damals mit Waltraut Meier als Sieglinde. Die dirigentenunfreundliche Akustik des Hauses hat der Nebenerwerbsdirigent nun ebenfalls kennengelernt, was ein Novum in der Geschichte der Bayreuther Festspiele darstellt. Denn Domingo ist der erste Sänger, der hier auch als Dirigent auftritt.
Dabei kommt Domingo leider weder mit den Tücken des verdeckten Grabens noch mit der Partitur der "Walküre" überzeugend zurecht. Am Ende gibt es sogar zahlreiche Buhs für den großen Sänger. Domingo lässt das Orchester vor allem im ersten Akt sehr defensiv klingen, präferiert langsame, sängerunfreundliche Tempi, die es Stephen Gould als Siegmund hörbar schwer machen, in die Partie zu finden.
2018 wird nur noch die "Walküre" aus Wagners "Ring" gezeigt | Bildquelle: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Plácido Domingo ist ein Phänomen. Allein als Tenor ist er längst eine Legende, bis heute mit weit über 70 Jahren brilliert er auf der Bühne noch mit Baritonpartien wie vor kurzem als Macbeth in Verdis gleichnamiger Oper an der Berliner Lindenoper. Und daneben dirigiert er seit einigen Jahren auch noch sehr erfolgreich. In diesem Jahr zum Beispiel "Tosca" in London und "Romeo et Juliette" an der Met in New York. Bislang hat er vor allem italienisches Repertoire dirigiert, nun also auch Wagner.
Akzente im Orchester setzt Domingo so gut wie keine. Wenn das Orchester aus dem Schatten der Sängerbegleitung tritt und quasi solistisch agiert, erhöht Domingo oft nicht einmal die Lautstärke, wie am Ende des ersten Akts. Das ist schon einigermaßen verstörend und selbst der Walkürenritt klingt wie ein harmloser Reigen. Nein, weder Domingo selbst noch die Festspielleitung haben sich mit diesem "Walküren"-Dirigat bei den Bayreuther Festspielen einen Gefallen getan und man versteht diese Entscheidung auch nicht wirklich.
Anja Kampe als Sieglinde | Bildquelle: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Zumal diese "Walküre" auch entgegen aller Tradition losgelöst vom restlichen "Ring"-Zyklus präsentiert wird, nachdem die Inszenierung von Frank Castorf im vergangenen Sommer ja zum letzten Mal über die Festspielbühne gegangen ist. Auch das ist ein Novum in der Festspielgeschichte. Ausnahmen über Ausnahmen also für den Ausnahme-Musiker Plácido Domingo. Aber mehr als eine Publicityattraktion wurde daraus leider nicht und das ist dann zu wenig für diesen Aufwand und es ist auch kein Ruhmesblatt für die Festspielgeschichte. Kurios auch, dass Domingo ausgerechnet mit der Agitprop-Inszenierung des Regie-Berserkers Castorf zusammentrifft, in der nichts weniger als der Fluch des Ölzeitalters unserer jüngsten Vergangenheit und Gegenwart aus kapitalismuskritischer Sicht thematisiert wird.
Erneut sind für diese Wiederaufnahme eine ganze Reihe neuer Sängerinnen und Sänger engagiert worden, die sich aber bemerkenswert gut in Castorfs spielfreudige Regie fügen. Allen voran Stephen Gould, der in diesem Jahr auch wieder als Tristan in Bayreuth zu hören ist – was für eine enorme Leistung. Sein Siegmund gewinnt nach anfänglichen Schwierigkeiten an Strahlkraft und Sicherheit und beeindruckt ebenso wie die starke, aber doch auch lyrische Sieglinde von Anja Kampe. Tobias Kehrer, ebenfalls neu besetzt als Hunding, bot ein gesanglich und darstellerisch stimmiges Rollenporträt, Marina Prudenskaya eine stimmlich präsente Fricka.
John Lundgren als Wotan | Bildquelle: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath Überragend mit leuchtendem, kraftvollem Sopran: Catherine Foster als Brünnhilde, die noch von der Originalbesetzung stammt und auch darstellerisch noch immer merklich viel Spaß an dieser Inszenierung hat. Enttäuschend allerdings John Lundgren als Wotan, der nicht nur gaumig und kehlig sang, sondern auch noch einen vielleicht auch etwas der unerträglichen Hitze im Festspielhaus geschuldeten leicht blechernen Stimmklang hat. Eine sehr eigenwillige "Walküre" also mit ein paar Highlights, aber insgesamt doch eher enttäuschend.
Kommentare (2)
Mittwoch, 01.August, 20:39 Uhr
klaus Schramm
Walküre 2018
Ich stimme der Kritik voll zu. Die Inszenierung ist doch sehr gewöhnungsbedürftig, was jedoch wirklich schrecklich war , war die Regie. Wenn in den Liebesszenen noch nicht mal eine Berührung statt findet und die Darstellung von "Wotans Abschied" war wohl nicht die eines liebenden Vaters, sondern viel mehr wie ein Chef seine Sekretärin verabschiedet. Das große Liebesspektatkel im Ring fand ohne menschliche Wärme statt.
Mittwoch, 01.August, 13:08 Uhr
Sinfjotli
Kritik Walküre
Meiner bescheidenen Meinung nach ist die Kritik an Placido Domingo etwas hart. Ich habe über Kopfhörer zu Hause gehört, also ist es natürlich nicht das gleiche wie im Festspielhaus. Ich muss sagen, dass ich die Gesamtaufführung, besonders von Gould, Kampe, Foster und dem Orchester, sehr genossen habe.
Domingo, bringt seine große Erfahrung als Sänger mit (welcher Dirigent kann solch eine Erfahrung rühmen?). Ich konnte die Spannung spüren, die darin bestand, die Sänger zu unterstützen und die Musik dramatisch klingen zu lassen. Also, vielleicht ist es zu früh für ein Urteil. Placido Domingo verdient etwas Anerkennung.