Beethoven bewegt
BR-KLASSIK feiert Beethovens 250. Geburtstag
Eingeklemmt zwischen der "Eroica" und der Fünften, wird Beethovens Symphonie Nr. 4, B-Dur op. 60 gerne mal unterschätzt. Weil sie nicht das Klischee des Titanischen, Schicksalhaften bedient, sondern eher schlank und ausgeglichen wirkt. BR-KLASSIK hat die fünf besten Aufnahmen dieses Meisterwerks für Sie zusammengestellt – mit Wilhelm Furtwängler, Christian Thielemann und Daniel Barenboim.
Bildquelle: Fotos dpa / Montage BR
Wilhelm Furtwängler, Chefdirigent der Berliner Philharmoniker und zum Zeitpunkt der Aufnahme 57 Jahre alt, besteht auf düsteren, herben, unheilvollen Farben. Atmosphäre könnte man das nennen, oder auch: Pathos. Allerdings darf man sich in Furtwängler nicht täuschen. Im Finale ist er schneller als so mancher postmoderner Kollege.
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Beethoven: Symphony No 4 (1943) Furtwängler/Berlin
Der Zwölfton-Komponist René Leibowitz steht hier am Pult des Royal Philharmonic Orchestra: sehr flott, ja gnadenlos im Tempo und von nüchterner struktureller Eleganz. Endlich ein Beethoven, so schwärmte Adorno, der gegen das herrschende "kommerzielle Unwesen" in der Musik antrete und jedem "Dirigentenexhibitionismus" den Krieg erkläre. Ob Leibowitz selbst das auch so sah? Ob ihn das antrieb, was Adorno ihm unterstellte, nämlich die maximale Differenz zu den Pultstars seiner Zeit, Karajan und Bernstein?
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Beethoven: Symphony No. 4, Leibowitz & RPO (1961) ベートーヴェン 交響曲第4番 レイボヴィッツ
Selbst im Adagio, dem langsamen Satz, entdeckt Carlos Kleiber, der Beseeler, der Motoriker, das Augenzwinkern, den Humor in Beethovens Vierter. Es ist ja bekannt, dass Beethoven 1806 über die Gattung der Sinfonie nachdenkt, Fragen stellt, zweifelt, Parameter des klassischen Sonatensatzes zur Disposition stellt. Aber tut er das immer bitterernst? Ist das Ganze nicht auch ein großes Spiel, ein Kostümfest? Spätestens im Finale sagt Kleiber: ja.
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Carlos Kleiber Beethoven Symphonies 4&7 Concertgebouw orchestra Amsterdam
Mit unserer rastlosen Gegenwart im Ohr klingt bei Christian Thielemann und den Wiener Philharmonikern immer alles ein bisschen wie unterm Vergrößerungsglas, schon wegen der getragenen Tempi. Damit sorgt er allerdings auch dafür, dass man vieles sehr deutlich wahrnimmt, deutlicher als sonst. Und ruhiger. Regt euch nicht auf, sagt seine Interpretation, der Komponist wird schon dafür sorgen, dass uns nicht alles um die Ohren fliegt. Und nichts anderes tut Beethoven: manchmal abgründig, manchmal mit Theaterdonner.
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Beethoven, Sinfonía Nº 4. Wiener Philharmoniker, Christian Thielemann
Klang und Klangsinnlichkeit sind Daniel Barenboim bei Beethoven wichtiger als alles betont Raue, Unschöne, rhetorisch Motivierte. Das gilt für seine Interpretationen mit der Berliner Staatskapelle ebenso wie für seine Arbeit mit dem jungen West-Eastern Divan Orchestra. In der Vierten nimmt Barenboim sich die Freiheit, die Beethoven für sich als Komponist reklamiert. Er genießt sie als Momente der Utopie, bei Tempo- oder Harmoniewechseln – ohne aus der klassizistischen Ästhetik jemals auszubrechen.
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Beethoven: Symphony No 4 in B flat major - BBC Proms 2012 (Daniel Barenboim)
In der Sendung: "Interpretationen im Vergleich" am 21. Januar 2020 ab 20:05 Uhr auf BR-KLASSIK
Kommentare (5)
Dienstag, 28.Januar, 15:47 Uhr
Wolfgang Rosenlechner
Beethovens Vierte
Szell und Klemperer fehlten tatsächlich! Ob das auch bei der Vierten zutrifft, wage ich nicht zu behaupten!
Mich jedenfalls überzeugt Kleiber am meisten, die Vertreter der Originalklanges (generell) hingegen nicht. Ich habe bei denen stets den Eindruck einer Ersatzhandlung.
Was Karajan betrifft, so kann einer kaum solche Spannung aufbauen wie er! Ich habe noch immer Beethovens Vierte mit dem BPO in Salzburg 1987(?) in bester Erinnerung. Live.
Schon bei Schubert erinnerte mich Frau Lemke Matwey in ihrer Kompetenz an Joachim Kaiser, wenngleich mitunter ebenfalls zu detailverliebt.
Herzlichen Dank für diese gelungene wie informative Sendung!!!
Freitag, 24.Januar, 16:41 Uhr
Karel Hruza
Beethoven Vierte
Karajan hat 4 Beethoven Zyklen eingespielt, wobei die ersten beiden die besten bleiben, und gerade den ersten mit dem Philharmonia Orchestra London (mono) sollte man nicht unterschätzen. Und Klemperer fehlt tatsächlich, schade ... Aber trotzdem vielen Dank für die interessante und anregende Sendung!
Donnerstag, 23.Januar, 17:25 Uhr
Michael Driessen
Beethoven Sinfonie Nr. 4
Das waren erhellende 1,5 Stunden.
Mit Ihrem Resümee bin ich voll eiverstanden.
Bei der Betrachtung fehlte mir aber G.Szell mit dem Cleveland 1963
Vielen Dank für Ihre Sendung
Donnerstag, 23.Januar, 11:13 Uhr
Bernhard Schneider
einer der besten Aufnahmen f e h l t !!
Otto Klemperer
Symphonie Orchester des Bayerischen Rundfunks
live aus dem Herkulessaal München vom 30.05.1969
Mittwoch, 22.Januar, 09:58 Uhr
Schubert Klaus
Interpretationen im Vergleich
Die von Ihnen favoritisierte Aufnahme mit Javo Pervi, ist zwar gut gelungen, aber an Herbert von Karajans 3. Einspielung ( metallserie) aus den 90 ger Jahren und die von Marris Jansons kommt diese nicht ganz dran. Nun gut, ich habe lange in Berlin gelebt, und bin zumindest bei Karajan auch ein wenig voreingenommen, aber ich habe ihn live erlebt.