In der Band des Popsängers Sting spielte er fetzige Soli und zarte Melodien, in seinen eigenen Gruppen pflegt er einen sinnlichen Jazz voller raffinierter Details. Der am 26. August 1960 in New Orleans geborene Saxophonist Branford Marsalis ist jetzt sechzig Jahre alt.
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Seine Töne sind Statements. Sie haben eine Plastizität und Lebendigkeit, die sofort fesseln. Bei einem Musiker wie ihm ist es fast egal, ob er gerade Jazz, klassische Musik oder Popmusik spielt: Immer hat der Saxophonist Branford Marsalis einen zupackenden, so feinen wie körperhaften Ton, der schnell gefangen nimmt. Nicht umsonst ist dieser amerikanische Saxophonist, Komponist und Musikproduzent in mehreren Musikwelten berühmt: im Jazz, also seiner musikalischen Heimat, dann in der Popmusikwelt – zumindest derjenigen der 1980er Jahre – und schließlich in der Welt der Klassik als Solist in moderner Orchester- und Kammermusik (zum Beispiel im Januar 2016 im Münchner Nationaltheater mit Stücken von Darius Milhaud und Jacob ter Veldhuis). In all diesen Musikwelten hat er seine eigene Stimme gefunden, über die er selbst allerdings auch gerne kritisch spricht.
Branford Marsalis, geboren am 26. August 1960 in New Orleans, stammt aus einer besonderen Musikerfamilie. Sein Vater war der Pianist Ellis Marsalis, Musiker und Pädagoge, der im April 2020 im Alter von 85 Jahren nach einer COVID-19-Infektion gestorben ist. Sein nächstjüngerer Bruder, der Trompeter Wynton Marsalis, Leiter des "Jazz at Lincoln Center" in New York und Virtuose der Klassik und des Jazz, ist einer der berühmtesten und streitbarsten Jazzmusiker seit den 1980er Jahren. Auch der Posaunist Delfeayo Marsalis und der Schlagzeuger Jason Marsalis, die beiden jüngsten Brüder, haben internationale Berühmtheit erlangt. Sie alle wurden geprägt durch die lust- und zugleich anspruchsvolle Musikpraxis ihres Vaters, der auch Lehrer anderer berühmter Instrumentalisten war – etwa von Nicolas Payton und Terence Blanchard. Die Marsalis-Familie hat viel dafür getan, dass Jazz aus New Orleans Ende des zwanzigsten Jahrhunderts wieder zu einer aktuellen Marke wurde und New Orleans von dem Ruf erlöste, vor allem als Wiege des Jazz interessant zu sein.
Branford Marsalis machte wie sein Bruder Wynton zunächst bei den berühmten "Jazz Messengers" des Schlagzeugers Art Blakey aufhorchen. In dieser Band, die seit den 1950er Jahren eine der größten Talentschmieden des modernen Jazz war, begann der Saxophonist 1980 seine Karriere. Doch besondere internationale Aufmerksamkeit wurde Branford Marsalis 1985 zuteil: Er begleitete den Popsänger Sting auf dessen erstem Solo-Album "The Dream of the Blue Turtles", an dem auch die Jazz-Kollegen Kenny Kirkland (Klavier), Darryl Jones (Bass) und Omar Hakim (Schlagzeug) mitwirkten. Dieses Album – wie auch die Folge-Alben "Bring On The Night" (live) und "Nothing Like The Sun" - brachte Popsongs mit der Improvisationskultur des aktuellen Jazz so überzeugend zusammen wie zuvor kein anderes; und Branford Marsalis' berstend kraftvolle und dann wieder zärtliche Soli hatten großen Anteil daran.
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Sting and Branford Marsalis - Consider me Gone
Branford Marsalis | Bildquelle: © Isabel Schiffler / picture alliance Branford Marsalis ist ein Saxophonist, der wie mit dem Instrument verwachsen scheint, wenn er spielt: Wie eine natürliche Symbiose wirkt das. Auf dem Tenorsaxophon bringt er Fülle und Beweglichkeit des Tons so scheinbar gelassen auf einen Nenner, dass ein bezwingender Fluss aus rauer Kraft und betörender Weichheit entsteht. Und auf dem Sopransaxophon, das bei manchem anderen Jazzmusiker gern eine schneidende Enge des Ausdrucks offenbart, spielt er Kantilenen von einer seltenen Leichtigkeit und klaren Schönheit. Wenn er diese Töne in Stings "Englishman in New York" blies, schmolz das Publikum ebenso dahin wie die Töne von Marsalis' Solo. Und dennoch sagte Branford Marsalis in einem BR-Klassik-Interview, dass einer wie er an die phänomenale Spieltechnik etwa seines Saxophonkollegen Chris Potter nicht heranreiche. Jazzfans werden dennoch viele musikalische Augenblicke in Erinnerung haben, in denen Marsalis' Saxophonspiel einen bleibenden Eindruck hinterließ – nicht nur in der Band von Sting an Orten wie der Münchner Olympiahalle, sondern auch etwa 1986 beim Jazzfest Berlin in der dortigen Philharmonie, als in der Band von Herbie Hancock besonders Marsalis und der Schlagzeuger Tony Williams Glanzlichter setzten.
Branford Marsalis: ein Musiker von bemerkenswerter Konstanz, der in seiner bisher vierzigjährigen Karriere immer wieder spannende Alben unter eigenem Namen veröffentlicht hat. Seine 2019 erschienene Platte "The Secret Between The Shadow And The Soul" war ein besonders starker Wurf des Jahres: Musik von packender Vehemenz, die die Zuhörenden in ein raffiniertes Geflecht aus Komplexität und völlig organischer Schönheit hineinzuziehen versteht. Nicht umsonst erhielt dieses Album 2019 eine Grammy-Nominierung (und Marsalis selbst eine Nominierung für das "beste improvisierte Jazz-Solo").
Ein begnadeter Solist ist er: Einer, der musikalische Rhetorik im Blut hat und lange Linien voller spannender Töne überzeugend immer weiterspinnen und mit vielfältigen Emotionen aufladen kann. Ein instrumentaler Geschichten-Erzähler, der das Publikum in Atem hält. Es überrascht, wenn einer wie er sagt: "Die Leute mögen keine Soli. Die Leute mögen Songs. Und wenn der Song gut ist, dann tolerieren sie ein Solo." Daran ist sicher einiges geflunkert. Denn die Zahl der Jazzfans, die egal welchen Song anhören würden, wenn ein Solist vom Format Branford Marsalis' darin ein Solo spielt, dürfte beträchtlich sein. Zu seinem Sechzigsten kann sich der älteste der Marsalis-Brüder so etwas schon mal sagen lassen.
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Branford Marsalis Quartet - The Last Goodbye - Jazz sous les Pommiers 2009