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Zum Tod von Claus Ogerman The man behind the music

Was lange als unbestätigtes Gerücht kursierte, ist nun offiziell: Claus Ogerman ist am 8. März im Alter von 85 Jahren in München gestorben. Immer ging es dem Arrangeur und Komponisten darum, die Emotionen seiner Hörer zu wecken. Zusammen mit Größen wie Frank Sinatra, Antonio Carlos Jobim oder Diana Krall schuf er unvergessliche Hits.

Komponist, Arrangeur, Produzent, Dirigent und Musiker Claus Ogerman | Bildquelle: © Hakiwara/McGowan - Universal Boutique

Bildquelle: © Hakiwara/McGowan - Universal Boutique

Erfolgsgeschichte mit Diana Krall

Zur gemeinsamen Erfolgsstory mit der kanadischen Sängerin und Pianistin Diana Krall gehört auch der Grammy, den Claus Ogerman 2010 für seine Arrangements ihres Albums "Quiet Nights" gewann. Ungemein verführerisch und suggestiv ist die schwebende Schönheit seiner Streichersätze und der subtile Puls seiner entspannten Rhythmisierung. Die Beiden hatten 2001 schon auf dem Album "The look of love" zusammengearbeitet. Dass es dazu überhaupt kam, war eine kleine Sensation in der Musikwelt, weil Claus Ogerman in den 22 vorangegangenen Jahren einer Heerschar von Showbiz- und Jazzgrößen, die ihn als Arrangeur engagieren wollten, eine Abfuhr erteilt hatte. Nachdem er in den 60er und 70er Jahren, wie er selbst sagte, "Tonnen von LPs" arrangiert hatte - unter anderem für Frank Sinatra, Antonio Carlos Jobim, Stan Getz, Oscar Peterson, Bill Evans und Barbra Streisand - hatte sich Ogerman nämlich 1979 entschlossen, ausschließlich als Komponist zu arbeiten.

Ellington und Strawinsky auf Schallplatte

In eine Welt der Musik ohne Grenzen zwischen Klassik und Jazz, zwischen Ernst und Unterhaltung, war Claus Ogerman - damals noch als Klaus Ogermann - schon als Kind und Jugendlicher im oberschlesischen Ratibor eingetaucht, wo er am 29. April 1930 zur Welt kam. Der Ort gehörte damals zu Deutschland, nach dem Krieg wurde er polnisch. Ogermans Vater hatte in den 1930er Jahren einen großen Fundus an Schallplatten angeschafft, weil er ein Plattengeschäft gründen wollte. Das Geschäft gab er bald auf, die ca. 8000 Platten aber blieben im Haus. Darunter amerikanischer Jazz von Louis Armstrong und Duke Ellington - und klassische Musik, von Igor Strawinsky zum Beispiel. All diese, zum Teil von den Nazis verbotene, Musik hörte sich Claus Ogerman als Kind und Teenager ganz genau an und wurde zeitgleich von einem offenbar großartigen Musiklehrer gefördert, der auch ein sehr guter Dirigent war. 1945 zog die Familie Ogermann nach Bayern, in die Nähe von Nürnberg.

Start in Nürnberg und München

Hier, in der "amerikanischen Zone",  gab es noch mehr Jazz und das Nürnberger Konservatorium, an dem Claus Ogerman weitere prägende Lehrer fand: Karl Demmer, den Dirigenten der Nürnberger Symphoniker und den Pianisten Ernst Gröschel - einen Weltklassespieler. Mit Anfang 20 wurde Claus Ogermann dann schon von Kurt Edelhagen und Max Greger als Arrangeur, Pianist und Komponist engagiert. Bald  hatte er einen so guten Ruf, dass Joachim Ernst Behrendt  ihn holte, um Chet Baker 1954 bei einem Konzert für den SWF zu begleiten. Es lief sehr gut für Claus Ogerman in Deutschland, doch 1959 entschloss er sich, nach New York zu gehen.

Auf nach New York

Ein Jahr dauerte es, bis er dort Förderer fand. Unter ihnen: der drei Jahre jüngere Quincy Jones, der sich als Trompeter in den Bands von Lionel Hampton und Dizzy Gillespie einen Namen gemacht hatte, selbst Bandleader und Arrangeur war und bei Mercury Records das A & R Department  leitete - die Abteilung also, die für die Künstler und ihr Repertoire zuständig war. Er verschaffte Claus Ogerman Arrangement-Aufträge für die Jazzdiva Dinah Washington und für die Pop-Neuentdeckung Lesley Gore, die sie dann gemeinsam mit "It's my party" 1961 zum Star machten.

Claus Ogerman und die Bossa Nova

Kurz darauf kam es zur ersten Begegnung mit einem führenden Kopf der neuen Welle aus Brasilien: Antonio Carlos Jobim. Seine Plattenfirma riet zur Zusammenarbeit, doch Jobim befürchtete, ein deutscher Arrangeur würde nur wenig Sinn für brasilianische Rhythmen haben. Schon beim ersten Treffen wurde klar, dass Claus Ogerman die Bossa Nova, ihren Rhythmus und ihre süße Melancholie wie kein anderer zu zelebrieren wusste. Mit seinen fein dosierten Streicherklängen schaffte er eine ungemein sinnliche Atmosphäre in der Musik. Die beiden wurden Freunde und produzierten sechs gemeinsame Alben, die zu Klassikern geworden sind. Nordamerikanische Musiker waren Anfang der 60er Jahre ganz wild darauf, auf dieser Welle mitzureiten. Auch Frank Sinatra, dem Claus Ogerman 1967 zum ganz speziellen Bossa Nova Zauber verhalf.

Frank Sinatra und Antonio Carlos Jobim. The "Man behind the Music", Claus Ogerman, ist in dieser Aufnahme nicht zu sehen. Er dirigiert aber das Orchester und von ihm stammt das Arrangement.

Keine Theorie, sondern pure Emotion

Das Traumverlorene und Zauberische in seinen Arrangements war sicher auch das Resultat der Einstellung, mit der Claus Ogerman an die Musik heranging. Er versuchte vordringlich, die Emotionen der Hörer zu erreichen. Technische Kompositionsmethoden seien für ihn zweitrangig, sagte er in einem Interview und untermauerte seine Haltung mit einem Zitat von Igor Strawinsky: "Theorie kann nur im Nachhinein aus einer musikalischen Komposition entstehen. Nichtsdestotrotz enthält die Komposition eine tiefe Intuition für Theorie".

Der "Klassiker" Ogerman

Claus Ogermans Auseinandersetzung und Beschäftigung mit klassischer Musik floss auch in seine Arbeit mit Jazzmusikern ein. Für den weltbekannten Pianisten Bill Evans schrieb er 1965 mit Jazzaspekten versehene Arrangements klassischer Kompositionen von Fauré, Chopin, Scrjabin, Bach und Granados. 1974 waren es dann Ogermans eigene Komposition, die auf der LP "Bill Evans Trio with Symphony Orchestra" seine Vorstellung einer Symbiose von Jazz und Symphonik vermittelten.

Claus Ogerman wollte nicht im Stil einer auf ihn bisweilen zu sehr auf sich selbst bezogen wirkenden Avantgarde komponieren. Atonalität etwa findet man in seinen Werken nicht. In den 70er Jahren schrieb er symphonische Tänze, die Anfang der 80er Jahre von Gidon Kremer und dem London Symphony Orchestra eingespielt wurden. 1987 veröffentlichte Brigitte Fassbaender seine "Tagore-Lieder" auf einem Album gemeinsam mit Liedern von Gustav Mahler und Alban Berg. Großes Aufsehen und auch einiges an Kritik erntete das klassische Album, zu dem Claus Ogerman Barbra Streisand überredet hatte. Die mit einer wunderbar ausgebildeten Naturstimme gesegnete Autodidaktin, die nicht vom Blatt singen konnte und außer Englisch keine weitere Sprache spricht, interpretierte auf dem Album “Classical Barbra” bekannte Lieder und Arien wie "Beau soir" von Debussy, "Mondnacht" von Schumann und "Lascia ch´io pianga" von Händel. Ein unorthodoxes Cross-Over in der Zusammenarbeit mit Claus Ogerman, der ganz auf sie zugeschnitten arrangierte und sie sicherlich auch gut coachte.

Sein liebster Solist Michael Brecker

Einen weiteren, besonderen Platz in Claus Ogermans Werk nimmt die Zusammenarbeit mit dem leider viel zu früh verstorbenen Saxophonisten Michael Brecker ein. Die begann 1977 mit dem  Album "Gate of dreams". Das war eine orchestrale Ballettmusik mit Jazzsolisten. Fünf Jahre später - inzwischen hatte Claus Ogerman nach vielen Nominierungen seinen ersten Grammy für ein Arrangement bekommen, das er für den Gitarristen George Benson geschrieben hatte - lud er Michael Brecker ein, bei seinem nächsten Crossover-Projekt "Cityscape" mitzumachen, in dem es wieder um die Verschmelzung von Jazz, Pop und klassischer Musik ging. Seinen großartigen Solisten lobte Claus Ogerman ausführlich in den Liner Notes und fragte sich, ob dieser so sanfte und bescheidene Michael Brecker eigentlich wisse, wie großartig er sei.

Eine Quelle der Inspiration

Von der Großartigkeit Claus Ogermans sprechen nach dem offiziellen Bekanntwerden seines Todes am 8.März 2016 nun auch immer mehr Bewunderer und Künstler, die mit ihm zusammengearbeitet haben. Beides ist der panamaische Jazzpianist Danilo Perez. Für seine  CD "Across the Crystal Sea" hat Claus Ogerman Kompositionen unter anderem nach Themen von Hugo Distler, Jean Sibelius, Sergej Rachmaninoff, Jules Massenet und Manuel de Falla geschrieben, die Danilo Perez mit seiner Band und einem von Claus Ogerman dirigierten Orchester eingespielt hat. Im Booklet legt ihm Danilo Perez sein Herz zu Füßen und schreibt einen Satz, dem sich sicher viele Fans und Musiker anschließen können:

Mr. Ogerman has been, is and will remain a source of inspiration forever
Danilo Perez

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