Von Hundert auf Null: Auch bei den Jazz-Plattenlabels sorgte die Corona-Krise für Stillstand. Stefanie Marcus von Traumton Records und Andreas Brandis von ACT sprechen in der neuen Jazztime-Sendereihe "Im Gespräch ..." über die aktuelle Situation.
Bildquelle: ACT, Traumtonrecor, Montage: BR
Jazztime - 20.07.2020
Im Gespräch mit Menschen die Jazz herausbringen
"Wir sind ja nicht arbeitslos, wir verdienen nur kein Geld", so fasst Stefanie Marcus die Situation der Musikerinnen und Musiker in Deutschland zusammen und ähnlich geht es auch den Unternehmen, die Musik verfügbar machen, den Plattenlabels.
Als dramatisch beschreiben Stefanie Marcus und Andreas Brandis ihre Situation nicht, die Labels ACT und Traumton konnten ihren Künstlern Hilfestellung leisten und waren im ständigen Austausch mit ihnen. Vor allem ging es um die Frage, ob Alben während der Krise veröffentlicht werden sollten oder zu einem ungewissen späteren Zeitpunkt.
Trotz der unsicheren Situation, gab es auch einen positiven Nebeneffekt: Die Musikerinnen und Musiker hatten einfach mal Zeit, wie Stefanie Marcus erzählt. Man konnte in Ruhe reden, da der alltägliche Stress wegfiel.
Das Album "Marble" von Hendrika Entzian mit Bigband erschien mitten in der Coronakrise | Bildquelle: Stefanie Marcus
Die Labels spüren allerdings den Stillstand im Konzertbetrieb stark. Große Umsätze werden immer noch durch physische Tonträger-Verkäufe erzielt, CDs oder LPs verkaufen sich bei Konzerten am besten. Andreas Brandis ergänzt aber, dass auch die Schließung der Plattenläden eine immense Auswirkung auf die Verkäufe hatte. Ganz viele Jazzfans gehen immer noch gerne in den Laden ihres Vertrauens, lassen sich beraten und kaufen dort ihre Alben.
Eine vermehrte Streamingtätigkeit gibt es zwar, da ja alle Menschen weitgehend zuhause waren während des Lockdown, aber Streamings auf Plattformen wie Spotify oder ähnlichem sind im Jazzbereich bei weitem nicht mit CDs oder LPs aufzuwiegen. Ein Stream bringt nur einen Bruchteil des Umsatzes einer verkauften CD.
Die Aktivitäten der Musikerinnen und Musiker bei Onlinekonzerten sehen beide Label-Geschäftsführer positiv als Zeichen einer kultur-sozialen Solidarität, aber grundsätzlich sollten solche Konzerte nicht kostenlos sein. Musiknutzung im digitalen Bereich kann bei weitem nicht die Existenzgrundlage von Musikerinnen und Musikern, aber auch von den verbundenen Unternehmen sichern. "Diese Schwachstelle zeigt die Krise besonders auf", sagt Andreas Brandis.
Pianist Johanna Summer veröffentlichte bei ACT Ende April ihr Debutalbum | Bildquelle: © ACT / Gregor Hohenberg
Die Verwertung, Vermarktung und Vergütung von Musik im digitalen Raum ist ein riesiges und komplexes Feld, die Veränderungen in diesem Bereich werden sehr interessant werden in den nächsten Jahren.
In naher Zukunft hoffen Andreas Brandis und Stefanie Marcus auf eine Wiederaufnahme des Konzertbetriebs, aber es muss ganz neu gedacht werden. "Ein Zurück vor Corona gibt es nicht", sagt Stefanie Marcus.
Neue Wege und neue Lösungen für die Vermarktung von Musik müssen gefunden werden, damit Künstlerinnen und Künstler angemessen von ihrer so wichtigen Arbeit leben können.
Die Musik der Sendung stammt von Trompeter Frederik Köster, Pianist Joachim Kühn, von Hendrika Entzian + Bigband, Pianistin Johanna Summer, der Band "Maasa", von Schlagzeuger Wolfgang Haffner und vom Septett "Shake Stew".
Jazztoday am 20.07.2020
Im Gespräch mit Menschen, die Musik herausbringen
Moderation und Auswahl: Ulrich Habersetzer