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Petra Rose nimmt Abschied vom "Le Pirate" in Rosenheim "Easy Living for myself"

Das “Le Pirate” steht am Ende einer Ära. 45 Jahre lang war Petra Rose Wirtin des Jazzclubs. Nun geht sie in ihren wohlverdienten Ruhestand. Sie erzählt, wie aus einer Idee eines Rosenheimer Apothekers und der großen musikalischen Leidenschaft einer jungen Telefonseelsorgerin ein international wohl einzigartiges Jazzwohnzimmer wurde.

Petra Rose: die ehemalige Wirtin und Programmgestalterin im "Le Pirate" in Rosenheim | Bildquelle: Petra Rose

Bildquelle: Petra Rose

BR-KLASSIK: Wie fühlt es sich an, das "Le Pirate" nun nach 45 Jahren abzugeben?

Petra Rose: Eigentlich fühlt es sich gut und richtig an.

BR-KLASSIK: Das "Le Pirate" gab es anfangs als ganz normale Kneipe. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, einen Jazzclub daraus zu machen?

Petra Rose: Die Idee, Live-Konzerte, besonders die Idee, Jazz-Konzerte zu veranstalten, kam von einem Freund, Gerhard Francesconi. Er ist selbst ein guter Pianist, wurde aber Apotheker in Rosenheim. Er liebte Jazz und verkehrte im Jazzclub "Domicile" in München. Anfang der 70er-Jahre vermittelte er Musiker wie Joe Haider, Walter Norris, Hannes Beckmann und viele mehr. Ist erst mal ein Anfang gemacht, geht es weiter, denn Musiker möchten auftreten und suchen eine Bühne.

BR-KLASSIK: Können Sie Ihren beruflichen Alltag als Jazzclub-Wirtin beschreiben? Hat er sich nach 45 Jahren verändert?

Petra Rose: Es gab immer mal Gäste, die fragten, was machst du denn sonst so? Da wusste ich, die haben keine Ahnung. Erst einmal kommt man als Wirtin spät ins Bett und muss bis 10 Uhr schlafen, um fit in den Tag zu starten. Noch am Vormittag habe ich Anfragen der Musiker beantwortet, gebucht und Infos verarbeitet. Die Künstlerauswahl war zeitraubend, soweit ich sie nicht kannte. Bei mir bereits bekannten Musikern ging es nur um die Terminvergabe, was einfach ist. Zehn Jahre lang habe ich bei der Telefonseelsorge gearbeitet, das war auch für die Arbeit an der Bar sehr hilfreich. Durch die Ausbildung habe ich gelernt: Die Probleme bleiben in der Arbeit und werden nicht mit ins Privatleben genommen. Durch Zuhören habe ich vielen Gästen geholfen. Für Frauen war es gut, dass ich sie darin bestärkt habe, dass es auch für Frauen erlaubt ist, allein auszugehen. Sie standen zu jeder Zeit unter meinem besonderen Schutz, wenn es nötig war. Aber die Musik war für mich immer ein Genuss und eine Freude. Es war auch eine Ehre, so hochklassige Musiker zu Gast zu haben.

BR-KLASSIK: Welchen Musikgeschmack haben eigentlich Sie persönlich?

Petra Rose: Ich habe als sehr junge Frau mit dem "Le Pirate" begonnen, von Jazz hatte ich bis dahin nur gehört. Wie alle anderen jungen Leute liebte ich die Rolling Stones und ähnliche Musik, also mehr Rock und Blues. Die Liebe zum Jazz ist gewachsen und jetzt ist er meine absolute Lieblingsmusik. Er ist für mich Freiheit und Freude.

BR-KLASSIK: Ihr "Le Pirate" wird ja vom Saxophonisten Mulo Francel als sein "Kinderzimmer" beschrieben. Wie eng ist das Verhältnis zu diesen Musikern der Szene, die im "Rosenheimer Wohnzimmer des Jazz" ihre ersten Gigs gespielt haben?

Petra Rose: Wir kennen uns schon so lange und haben Freud' und Leid auch oft privat voneinander kennengelernt. Sehr jung haben viele Musiker im "Le Pirate" auf den Sessions angefangen. Ich habe mich am Erfolg, der sich bei vielen eingestellt hat, erfreut. Die Musiker haben ihre Wurzeln nicht vergessen. Das ist auch der Grund, warum zum Beispiel Mulo Francel mit "Quadro Nuevo" immer noch im "Le Pirate" spielt.

BR-KLASSIK: Welchen Künstlern sind Sie heute noch dankbar für ihr Engagement?

Petra Rose: Sehr wichtig für mich war Peter Ludwig, Pianist im Ensemble "Tango Mortale" und anderen Bands. Wir sind in etwa gleich alt und seine Laufbahn konnte ich vom Anfang bis heute verfolgen. Wir kennen uns schon 45 Jahre. Von ihm stammt das erste Klavier im "Le Pirate". Seit Jahren ist der Schlagzeuger Michael Keul für mich von besonderer Bedeutung. Sein "Samerberger Jazz Ensemble" spielte bereits 70-mal im "Le Pirate". Er hat für jeden Abend immer ein besonderes Thema und die dazu passenden internationalen super Musiker, wie Scott Hamilton oder Red Holloway. Michael organisierte auch schon drei Festivals im "Le Pirate".

John Marshall, früherTrompeter bei der WDR Big Band, hat einmal im "Le Pirate" live eine CD eingespielt, was eine Ehre und Freude für mich war. Abends gab es zwei Konzerte und auch tagsüber wurde aufgenommen.

Durch die Pianistin Susi Weiß hat in den 80er Jahren eine neue musikalische Ära begonnen. Susi war engagiert und junge Musiker spielten mit. Sie läutete die Zeit der Jamsessions mit hochklassigen Jazzern ein. Musiker von "Quadro Nuevo", aus dem Leo Betzl Trio, und unzählige andere junge Talente der bayerischen Szene, kommen bis heute zum Jammen.

BR-KLASSIK: 45 Jahre hinter der Bar, was waren die schrägsten Erlebnisse?

Petra Rose: Lustige und überraschende Geschichten gäbe es viele, aber die fallen unter die Schweigepflicht. Ich kann nur sagen, so mancher Komiker könnte sich Themen "abhören". Viele Liebesbeziehungen sind im "Le Pirate" entstanden und zu so mancher Hochzeit wurde ich aus diesem Grund eingeladen.
Ich habe mich durch die Verbindungen zu Gästen und Musikern reich beschenkt gefühlt, werde natürlich alle vermissen und denke doch, dass nicht alle Kontakte abreißen werden. Es waren so viele Musiker im Laufe der Jahre im "Le Pirate". Es tut mir leid, dass ich nicht alle erwähnt habe, alle haben es verdient!

BR-KLASSIK: Haben Sie schon Pläne für Ihren mehr als verdienten Ruhestand? "Easy Living" als Musikerin vielleicht?

Petra Rose: Für meine Zeit danach habe ich noch keine wirklichen Pläne. Zuerst muss ich mal ausprobieren, wie es ist, wenn ich keine Arbeit habe, denn seit meinem siebzehnten Lebensjahr arbeite ich. Musikern werde ich keine Konkurrenz machen, ich denke eher an "Easy Livingfor myself".

Das Interview mit Petra Rose entstand im April 2018. Neuigkeiten zum Jazzclub "Le Pirate" finden Sie hier.

Jazz aus Rosenheim auf BR-KLASSIK:

Classic Sounds in Jazz am 12. September 2018, 19.05 bis 20 Uhr
"Out of Rosenheim"
Classic Sounds in Jazz von den Trompetern Chet Baker und John Marshall, dem Hammondorganisten Matthias Bätzel und anderen Aufgezeichnet in Rosenheim, im Jazzclub "Le Pirate" und an anderen Spielorten der Oberbayerischen Stadt Moderation und Auswahl: Ulrich Habersetzer

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